Falsche Froesche
lässt sich Zeit. Gut so. Jetzt, da er Sie nicht ansieht, haben Sie Gelegenheit, Ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen. Wie sein dicht gelocktes Haar sich wohl anfühlt. Die weichen Lippen müssen göttlich küssen. Wenn er Ihnen den Brotkorb reicht, treten auf seinem Handrücken die Sehnen hervor. Sie können kaum erwarten, in diesen Armen zu landen.
Er fragt nach Vollkornspaghetti mit Tomatensugo. Und wäre es bitte möglich, den Sugo ohne Öl zuzubereiten? Lucio Dalla singt »Caruso«, und einen Moment lang möchten Sie weinen. Signore Giovanni, angesichts des perversen Ansinnens um Fassung ringend, bedauert, weder Vollkornpasta noch Saucen ohne Olivenöl zu führen, und empfiehlt einen gemischten Salat. Während der Spaßvogel sein fades Gemüse mit stillem Mineralwasser bespült, gelingt es ihm nur unzureichend, sein Entsetzen zu verbergen, als Sie sich mitten in Ihren Gnocchi al Gorgonzola das dritte Glas Valpolicella genehmigen. Den abschließenden Grappa aufs Haus verweigert er ebenso wie den alternativen Espresso. Dass Ihr Padrone Sie beim Abschied mit einem besorgten Blick − tja, Mädl, dann viel Spaß − bedenkt, bilden Sie sich bestimmt nur ein.
Statt in den muskulösen Armen des Schönen beenden Sie den Abend solo auf Ihrer Couch. Die Stimmung war nicht optimal. Unter Zuhilfenahme einer weiteren Flasche Valpolicella denken Sie nach. Obwohl Sie unter sinnlichem Essen etwas anderes verstehen als grüne Blätter an Balsamicodressingan Mineralwasser, beschließen Sie, sich ein wenig umzugewöhnen. Zumal Sie die Chance erkennen, selbst gesünder zu leben. Weniger Fett, weniger Alkohol, weniger Nikotin, es ist ohnehin allerhöchste Zeit. Der Anblick seines Körpers ist geil genug, wer braucht da Käsesaucenorgien oder Wein in Strömen.
Außerdem geht es beim Essen nicht nur ums Essen. Auf dem Gebiet des guten Gespräches nämlich entpuppt sich Ihr neuer Freund als besonderer Meister. Während die Männer in Ihrem Bekanntenkreis witzige, bisweilen jedoch recht anstrengende Vielredner sind, beherrscht er die hohe Kunst des Zuhörens. Mit vor Konzentration zusammengekniffenen Augen und vorgebeugtem Oberkörper fixiert er Sie, lauscht Ihren Worten, keine Silbe will er verpassen. Das tut so gut. Man fühlt sich ernst genommen, verstanden, bestätigt.
Dass seine Kommentare meist in Form von Sprichwörtern und Aphorismen erfolgen, erscheint anfangs etwas schlicht. Als Sie von einem verzwickten Konflikt im Job erzählen und er die Lösung »Immer wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her« offeriert, fühlen Sie sich im ersten Moment auf den Arm genommen. Um letztlich Danke zu sagen. Danke für den optimistischen Ausblick, der schneller hilft als komplizierte Analysiererei.
Nach zahlreichen erquicklichen Gesprächen und gesunden Abendessen, bei denen Sie Ihren Alkohol- und Nikotinkonsum drastisch gedrosselt haben, sind Sie beide bereit für die erste Liebesnacht. Die Zeit war überreif.
Am folgenden Morgen hocken Sie um 5.45 Uhr in der rustikalen Küche des Frühaufstehers, kauen ein Müslimit getrockneten Früchten und starren schlaftrunken auf das am Kühlschrank montierte Holztäfelchen mit der Inschrift »Morgenstund hat Gold im Mund«. Der scheußliche Kräutertee passt zu Ihrer Laune. Was sein göttlicher Körper Ihnen versprach, hat der gute Mann mitnichten gehalten.
Ist das wirklich wichtig? Sind Sie eine Tussi, dass es Ihnen auf die Größe ankommt? Nein, was zählt, ist Wärme. Drum nicken Sie tapfer, als er seine Hand auf Ihre legt, Ihnen tief in die Augen schaut und sagt, wie wunderschön es war.
HÖLLE
Dank wachsender Intimität entpuppt sich Muskelmannes Neigung, das Liebesspiel mit Konversation zu würzen. Leider sind es keine geilen Schweinereien, die er Ihnen flüstert. Spürst du mich, will er wissen, wenn er in Fahrt kommt. Tja, was soll man sagen. Um Ihnen die gewünschte Antwort zu entlocken, zieht er seine Turnübungen in die Länge. Sie blicken zur Decke, denken an Ihre Einkaufsliste für den nächsten Tag und hegen den Verdacht, Loverboy denke an seinen Bizeps, der sich bei dieser Gelegenheit trefflich mittrainieren lässt. Als er, nach diversen Geschlechtsverkehren,eine gewisse Zurückhaltung Ihrerseits feststellt, greift er zum absoluten Killer: Sag mir, was du gerne magst. Oh Gott, auch das noch. Einen ordentlichen Schwanz und Klappe halten.
In diesem trüben Licht erscheint der tägliche Marsch ins Fitnesscenter lächerlich. Tarzan stemmt
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