Falsche Froesche
später erscheint er pünktlich um 19 Uhr. Bewaffnet mit einer gewaltigen Werkzeugkiste und einem Plastiksack unbekannten Inhalts. Ein hastiges Küsschen, die Arbeit ruft, schon kniet er vor dem Eckregal. Sie begeben sich zum Herd, um den Guten mit Spaghetti allaputtanesca zu belohnen. Bevor das Wasser siedet, ist das marode Holzbrett abmontiert. Beschwingt beginnen Sie, Tomaten, Knoblauch, Peperoni und Sardellen zu dünsten, legen zwecks Untermalung der wohligen Atmosphäre eine CD mit Italohits aus Ihrer beider Jugendzeit ein. Als Sie Start drücken wollen, setzt er, die Nase an der Wand, zur Analyse an. Die Löcher, erfahren Sie, waren zu groß für die Dübel. Ein Wunder, dass die windige Befestigung so lange hielt.
Zwar würden Sie Gianna, Lucio und Paolo vorziehen, doch gebietet die Höflichkeit, den Erläuterungen des hilfsbereiten Mannes zu lauschen. Und beeindruckt seine Dübel zu beäugen. Groß, stabil, unverwüstlich. Dennoch, angesichts des porösen Mauerwerks müsse man die Wandlöcher vor der Neumontage präparieren. Kein Problem. Lächelnd zeigt er seine Heißklebepistole und taucht wieder in die Bretter ab. Just als Sie Spaghetti ins kochende Wasser gegeben und Ihren Sugo mit Kapern und Oliven vollendet haben, durchzieht ein beißender Geruch die Küche. Statt zu fragen, ob man mit dem Chemiegestank nicht bis nach dem Essen hätte warten können, öffnen Sie das Fenster und deckeln die Pfanne ab. Kein Problem.
Während er Sie informiert, dass der Klebstoff in einer Stunde hinreichend ausgehärtet sei, um Bolzenschrauben in die Dübel zu treiben und das Holzfach zu montieren, zaubert er ein weiteres Maschinchen aus dem Werkzeugkasten. Beim letzten Besuch waren ihm die lockeren Türklinken aufgefallen. Mit dem Akkuschrauber sei das Thema in fünf Minuten erledigt. Tatsächlich. Die Spaghetti knapp al dente, steht er nach erfolgreichem Rundgang in der Küche.
Ihre Befürchtung, er werde Sie mit Heimwerkerweisheiten bombardieren, verpufft beim ersten Bissen. Sie beide reden und blödeln und lachen wie auf der Party vor zwei Wochen, als Sie sich in ihn verliebten. Es ruft das Bett, und ein Brett läuft nicht davon. Die Montage wird auf den Morgen verschoben.
Nach dem Frühstück lüftet er das Geheimnis des Plastiksacks: Blumenerde und Dünger für Ihre kränkelnden Zimmerpflanzen. Super. So lieb Sie Ihren Gummibaum, die Palmen und den Ficus haben, Hege und Pflege liegen Ihnen nicht im Blut. Weshalb Sie die sachkundige Wühlerei in den Terracottatöpfen aufmerksam verfolgen. Um zu erkennen, dass diese Arbeit für manikürte Fingernägel ungeeignet ist.
Bevor Alleskönner aufbricht, fragen Sie zart an, ob er so nett wäre, bei Gelegenheit ein paar weitere Kleinigkeiten zu reparieren. Aber gerne, und, übrigens, seien nicht bloß Kleinigkeiten zu erledigen. Ob Sie die Risse an den Wänden sähen? Hier gehöre dringend ausgemalt. Die Kratzer im Parkettboden? Schleifen und versiegeln, dann sei der wie neu. Sie blicken um sich. Wie betriebsblind man doch wird im Lauf der Jahre. Nicht ganz, Sie erwähnen die zugigen Fenster. Das, erfahren Sie nach kurzer Begutachtung, sei das geringste Problem. Er werde Schaumstoffdichtungen einkleben, da komme kein Lüftchen durch.
Zu dem Werkzeugkasten, der angesichts des Reparaturprojekts im Flur deponiert wurde, gesellen sich eine dreieinhalb Meter hohe Holzleiter, ein Fuchsschwanz, eine Bohrmaschine und ein blauer Arbeitsoverall. Dass der große Vorraum, der zugleich als Esszimmer fungiert, vorübergehend unbenutzbar ist, macht nichts. Im Gegenteil, das Gerätelager beglückt Sie. Hier werkt einMann, hier geht was voran. Freitags erstellen Sie eine Gebrechenliste, Samstagabend, während Sie kochen, arbeitet er die Punkte ab. Der Anblick des Geliebten, sexy cool im Overall, erinnert Sie an die Zeit des Einzugs vor zehn Jahren, als mancher knackige Handwerker eine kleine Phantasie wert war.
Von Dankbarkeit will er nichts hören. Vielmehr füllen die Reparaturarbeiten eine Lücke in seinem Leben. Als Schadenreferent bei einer Versicherung vermisst er, der gelernte Techniker, die Praxis. Das Werken in Ihrer Wohnung verschafft ihm die Befriedigung, die der Schreibtischjob nicht bietet.
Wie zufrieden Sie erst sind. Die quietschende Türe verstummt, das wackelnde Tischchen steht stabil, der schiefe Lüster hängt gerade. Klemmende Laden laufen wie auf Rädern, die Pflanzen sprießen, sogar den Wackelkontakt in der Stehlampe konnte er beheben. Wen stört die kleine
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