Falsche Froesche
einem unterwürfigen Bürschchen zu tun, das nach Ihrer Pfeife tanzt, sondern mit einem Mann, der Nägel mit Köpfen macht. Die Familie wird zu Weihnachten sehr gut ohne Sie auskommen. Und zwei Wochen an der Sonne sind bestimmt schöner, als in Eiseskälte durch den Schnee zu stapfen.
Dass die Seligkeit an der Seite dieses Mannes steigerungsfähig ist, hätten Sie nicht gedacht. Am dritten Urlaubsabend sitzen Sie bei einer Flasche Weißwein gemeinsam auf der Terrasse Ihres Bungalows und lauschen den Meereswellen, als er fragt, ob Sie ihn heiraten wollen. Heirate mich, ich liebe dich, ich will ein Kind von dir. Unter Tränen des Glücks sagen Sie ja. Obwohl Sie nie heiraten wollten. Obwohl Sie keine Kinder wollten. Jetzt, da Sie den Richtigen getroffen haben, wollen Sie.
Seither nennt er Sie, wenn er Ihnen jemanden vorstellt oder über Sie spricht, »meine Frau«. Bald sagen auch Sie »mein Mann«, und es hört sich phantastisch an. Dass er, bevor Sie ins Restaurant oder zu einer Einladung gehen, Dresscodewünsche äußert, ist anfangs ungewohnt, im Grunde jedoch praktisch, da Sie sich das Nachdenken ersparen. Sachte macht er Sie darauf aufmerksam, dass Sie zu laut lachen und zu heftig gestikulieren. Freilich würde er Sie nie in Gesellschaft kritisieren, die Hinweise erfolgen zu Hause unter vier Augen. Auch in Sachen Lektüre und TV liefert er wertvolle Tipps. Tatsächlich sollten Sie statt der ewigen Kriminal- und Liebesromane öfter ein Sachbuch zur Hand nehmen. Ebenso wenig wird es Ihnen schaden, Ihr Interesse an Spielfilmen auf Nachrichten- und Informationssendungen auszuweiten.
Schwerer fällt es, dem Paschagehabe Positives abzugewinnen. Die perfekt ausgestattete Küche seines Hauses fungiert als Monsieurs persönliche Tabuzone. Keinen einzigen Löffel räumt er in die Geschirrspülmaschine, berstend volle Mülleimer werden standhaft ignoriert, kochen, Gott behüte, ein Fremdwort. Was soll’s. Sie kochen gerne, er genießt es, umsorgt zu werden. Welcher Zacken fällt Ihnen aus der Krone.
Bei aller Liebe brauchen Sie auch Zeit für sich. Für Ihre Arbeit, Ihren Haushalt, Ihre Freunde. Das schmeckt ihm nicht. Er wüsste Sie gern 24 Stunden jeden Tag in seiner Nähe. Ihre Freunde, erfahren Sie, sind amüsant, im Grunde aber gescheiterte Existenzen, Sie verschwenden Ihre Zeit. Den Haushalt kann eine Putzfrau erledigen. Und für die Zeichnerei, wie er Ihren Beruf nennt, stellt er Ihnen seine schönste Veranda zur Verfügung.
Im Zuge der Umstrukturierungen möchte er die einstige Geselligkeit seines Hauses wiederbeleben, das in den zehn Jahren seit dem Auszug der Exfrau samt drei kleinen Kindern ruhig geworden ist. Also lädt man Gäste ein. Während Sie kochen, den Tisch decken und Weine dekantieren, kommt er aus dem Lesezimmer wiederholt zu Ihnen und küsst Sie auf den Nacken. Wie er sich freut. Den gelungenen Abend lassen Sie beide am Esstisch bei einer Flasche Rotwein ausklingen. Sie betrachten die langsam niederbrennenden Kerzen und lauschen französischen Chansons, die er seit einem Studienaufenthalt in Paris so liebt. Danach legen Sie die alte mexikanische CD ein, die Sie heute mitgebracht haben, um ihm Ihr Lieblingsliebeslied vorzuspielen. Weil es zum ersten Mal im Leben passt.
Er leert sein Glas auf einen Sitz, schenkt sich mürrischen Blicks erneut ein. In den Pausen zwischen drei weiteren hastig gekippten Achteln knurrt er wie ein gereizter Pitbull. Kaum ist der letzte Ton verklungen, beginnt er zu brüllen. Was das soll, was bilden Sie sich ein, was spielen Sie ein scheiß spanisches Lied, dessen Text er nicht versteht. Sprachlos sitzen Sie vor einem Fremden. Weiß Gott, was ihm über die Leber gelaufen ist. Er hat einfach zu viel getrunken. Vergessen wir das hässliche Ende eines schönen Abends.
HÖLLE
Eine Woche später liefert er die verschärfte Variante. Nachdem Sie in der Küche eine Stunde mit Ihrer in Scheidung lebenden Freundin telefoniert haben, herrscht er Sie an, sein Haus zu verlassen. Sie verschwinden ins Badezimmer, es ist ein Uhr früh, und hoffen, er möge zurVernunft kommen. Stattdessen folgt er Ihnen und knallt Ihre Kosmetikflaschen an die Wand, Stück für Stück, haarscharf an Ihrem Kopf vorbei. Entsetzt flüchten Sie nach Hause.
Als er am nächsten Morgen verstört anruft, da er unerklärlicherweise alleine aufgewacht ist, helfen Sie seinem Gedächtnis auf die Sprünge. Erschüttert entschuldigt er sich und kann Ihnen garantieren, dass so etwas nie wieder passieren wird. Er
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