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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Quadratmetern zurechtzukommen.«
    »Aber Arne wird kein eigenes Zimmer haben.«
    »Er schläft bei mir im Bett, stell dir vor. Und zum Arbeiten geht er in sein Büro.«
    »Lass mich raten, von neun bis fünf? Und um halb eins macht er Mittagspause«, lästert Noa, die Arne nicht nur für einen Spießer, sondern auch für pedantisch hält.
    »Um zwölf.«
    »Boa, wie originell. Wetten, der steht auf Hausmannskost?«
    »Ach, halt doch die Klappe.«
    Des Geplänkels müde, reißt Noa sich am Riemen. Um guten Willen zu demonstrieren, hilft sie der Schwester, die Küche auf Vordermann zu bringen – Audrey räumt den Geschirrspüler ein, während Noa die Krümel vom Frühstück beseitigt und das Ceranfeld blank poliert – danach macht sie die Wäsche, was ohnehin ihre Aufgabe ist, weil Audrey in ihren Schreibphasen oft so zerstreut ist, dass sie Klamotten schrumpft oder die Farben durcheinanderwirft.
    Noa kann sich nicht vorstellen, künftig auch Arnes Sachen zu sortieren. Seine benutzten Unterhosen. Verschwitzte Socken. Nie im Leben! Sie hat den gärigen Gestank von Jannis’ Sportsocken noch in der Nase, die vor dem Bett herumlagen, als sie eines Nachmittags in seinem Zimmer miteinander schliefen. Sie hätte am liebsten die Luft angehalten. Und Jannis hat sie – im Gegensatz zu Arne – aufrichtig geliebt, inklusive seines Körpergeruchs, von den Käsefüßen mal abgesehen.
    Was sie nicht kapiert: Wieso braucht Audrey überhaupt jemanden, der ihr Halt gibt? Sie ist doch kein unsicherer Mensch, jedenfalls hat Noa sie nie so gesehen. Ausgerechnet in einer Phase ihres Lebens, in der sie die meisten ihrer Ziele bereits erreicht hat, müsste sie doch vor Selbstbewusstsein nur so strotzen.
    Sämtliche Ablenkungsversuche schlagen fehl, das Thema Arne lässt Noa einfach keine Ruhe. Am frühen Abend, als sie gemeinsam die Terrasse winterfest machen, fängt sie indirekt wieder davon an.
    »Du, Audrey, findest du eigentlich, ich müsste mehr tun? Im Haushalt oder so. Oder mir einen Job suchen, damit ich was zum Lebensunterhalt beitragen kann?«
    Audrey fegt das Laub zusammen, das ein Sturm zusammen mit einer weißen Plastiktüte und einigen Fetzen Zeitungspapier bis zu ihnen heraufgewirbelt hat. »Darauf lege ich keinen Wert«, sagt sie. »Mach du lieber ein gutes Abi.«
    »Ich meine zusätzlich.«
    »Ach Noa, ich weiß, worauf du hinaus willst. Wenn du möchtest, geh jobben, das kann nie schaden. Aber Arne zieht trotzdem hier ein.«
    Noa hält einen Müllbeutel auf, damit Audrey die nassen Blätter hineinstopfen kann. Einige stammen auch von ihrem japanischen Zierahorn und sind so herrlich hellrot, dass es eigentlich ein Jammer ist sie wegzuwerfen. Früher haben sie um diese Jahreszeit damit Girlanden gebastelt und über ihr Bett gehängt. Um sie haltbar zu machen, besprühte Audrey sie mit Haarlack. Das ist noch gar nicht so lange her.
    Der Ahorn wird die kalten Monate, genau wie die blaue und die weiße Hortensie, der Buchsbaum und die Magnolie, draußen verbringen, die Kübel zum Frostschutz mit Luftpolsterdecken und Kokosmatten ummantelt. Nur die Pfennigbäume dürfen ins Warme. Die riesige pinkfarbene Azalee mag es kühl, aber frostfrei und soll folgerichtig ins Treppenhaus umziehen. Der Kübel ist höllisch schwer. Das wäre doch eine Aufgabe für Arne, denkt Noa. Wenn er sich hier schon einnistet, soll er sich wenigstens nützlich machen.
    »Was genau liebst du eigentlich an ihm? Nenn mir nur einen einzigen Punkt. Was ist Arnes größter Trumpf?«
    »Das ist doch albern.«
    »Einen Punkt«, beharrt Noa.
    Irgendwo aus der Ferne erklingen Stimmengewirr und Gelächter, gehässig, als würde man über sie herziehen. Irritiert schauen sie sich um, bis sie am Himmel einen Schwarm Wildgänse entdecken, ein langgestrecktes V vor dem schwindenden Licht, Formationsflug in höchster Vollendung. Der metallische Glanz ihrer Schwingen. Noa ist fasziniert.
    »Ich mag Zugvögel«, sagt sie.
    »Die mag doch jeder.« Audrey verschränkt die Hände vor der Brust. »Ich mag die, die hierbleiben. Die Amseln und Spatzen, die Meisen und die Spechte. Die Unscheinbaren, die sich nicht aus dem Staub machen, sobald es ungemütlich wird.«
    Sie wirkt angetan und ein wenig überrascht von ihrer eigenen Erkenntnis und findet bei der Gelegenheit auch gleich eine verspätete Antwort auf Noas Frage, Arne betreffend: »Beständigkeit«, sagt sie.
    Beständigkeit – na super. Abgesehen davon, dass diese Eigenschaft ungefähr so sexy ist wie die

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