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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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die beiden jungen Männer, auf einem in der Nähe stehenden Sofa Platz zu nehmen. Keiner der beiden setzte sich. Dazu waren sie physisch nicht in der Lage.
    Hjelm und Holm kamen zusammen herunter. Sie erkannten sogleich den älteren, größeren Mann. Es war Jonas Andersson aus Enskede, Vorstandsmitglied im Hammarby-Fanclub. Nach einem Moment erkannten sie auch den zweiten, kleineren Mann. Und zwar von einem Schwarzweißfoto, das mit Marienkäfermagneten an einer Flipchart befestigt war. Das ungepflegte blonde Haar und der Schnauzbart, der ein Stück über die Mundwinkel hinunterhing, waren ihnen inzwischen gut bekannt.
    Was sie nicht erwartet hatten, waren die vollkommen verweinten Augen des Kvarnenmörders.
    »Er saß heute morgen vor dem Clubheim«, sagte Jonas Andersson aus Enskede. »Er hat gesagt, er wolle Hammarby nicht länger schaden.«
    Sie nickten ihm zu.
    »Danke, Jonas«, sagte Kerstin Holm.
    Jonas Andersson lächelte dünn und verzog sich.
    »Wie heißt du?« fragte Paul Hjelm den Kvarnenmörder.
    »Conny Nilsson«, sagte der Kvarnenmörder kaum hörbar. Seine Stimmbänder schienen sich verknotet zu haben.
    »Warum kommst du gerade jetzt?«
    »Ich habe mein Bild in der Zeitung gesehen. Nicht die Zeichnung, das Foto. Und jetzt reicht es. Es war kein Vergnügen.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte Paul Hjelm und setzte sich auf das Besuchersofa der Länspolizei. Er klopfte darauf. Conny Nilsson setzte sich neben ihn. Er war ziemlich klein, kompakt. Und vollständig am Ende.
    »Wo hast du dich versteckt?« fragte Kerstin Holm und setzte sich auf die andere Seite des Kvarnenmörders.
    Ohne ein Wort zu wechseln, beschlossen sie beide, diese Bezeichnung nie wieder zu benutzen.
    »Zu Hause«, sagte Conny Nilsson. »Ich wohne bei meinen Eltern in Haninge.«
    »Wie hast du es geschafft, dich zu verstecken? Sind deine Kumpels so loyal?«
    »Meine Kumpels ... Ich kenne sie nicht, sie kennen mich nicht. Ich habe mich nach dem Spiel an eine Clique angehängt. Sie schienen mich gar nicht zu bemerken. Sie waren wahnsinnig sauer. Unentschieden zu Hause gegen Kalmar. Im Kvarnen fingen sie an, ein paar Smaländer anzumachen. Es war eine verdammt aufgeheizte Stimmung. Die Smaländer haben gelogen und gesagt, sie hielten nicht viel von Kalmar. Einer von ihnen hat mich geschubst. Ich weiß nicht, was passiert ist, es ist vollkommen schwarz. Ich nehme an, dass ich zeigen musste, dass ich da war, dass ich kein unbedeutender Niemand war, den man einfach umschubsen konnte. Ich war schon an der U-Bahn vorbei, als ich merkte, dass ich ein vollkommen blutiges Stück Glas in der Hand hielt. Ich warf es weg und lief weiter und nahm einen Bus am Stadsgarden. Das war alles. Ich war eine Woche krank.«
    »Krank geschrieben?«
    »Ich arbeite nicht. Ich habe keinen Job, um mich krank schreiben lassen zu können. Niemand außer meiner Mutter hat gemerkt, dass ich krank war. Eines Abends hörte ich, wie sie über den Kvarnenmörder schimpfte. Sie fragte sich, in was für einer beschissenen Welt sie lebte.«
    »Jetzt weiß sie es.«
    »Bald weiß sie es«, sagte Conny Nilsson. »Scheiße.«
    Sie hatten nichts mehr zu sagen.
    Sie übergaben ihn der Ordnungspolizei.
    Sie fühlten sich elend.

30

    A rto Söderstedt lieferte Kinder in der Tagesstätte ab. Im Sommer liebte er es, Kinder in der Tagesstätte abzuliefern. Er liebte es, jene kleine Veränderung im Verhalten zu beobachten, wenn das Kind sich aus Papas Kleiner in eins der Mädchen verwandelte. Es war eine richtige kleine Metamorphose.
    Aber im Winter sah er sie nicht. Dann reichte die Energie nicht aus.
    Als er seine kleine Lina noch einmal drückte, kam ihm der Gedanke, dass es langsam aufs Ende zuging. Er hatte fünf Kinder und hatte rund fünfzehn Jahre Kinder in der Tagesstätte abgeliefert und wieder abgeholt, und noch nie hatte er daran gedacht, dass es einmal enden würde. Im nächsten Jahr würde er kein Kind mehr in der Tagesstätte abliefern. Er würde nie mehr Kinder in Tagesstätten abliefern.
    Vielleicht Enkelkinder. Doch hoffentlich noch nicht bald.
    Der kleine Flachskopf Lina schoss über die Schwelle, hin zu den anderen Kindern. Als er sah, wie sie einen kleinen Bengel mit Namen Rutger drückte, war sie nicht mehr Papas Kleine.
    Er blieb noch einen Moment stehen und sah ihr zu. Die Kleinste.
    Als er in den unentschlossenen södermalmer Sommermorgen hinaustrat, kam ihm die Idee, dass dies eine gute Szene für einen Krimi wäre. Ein Kriminalbeamter, der sein Kind im

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