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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Netzwerk gehalten hatte. Immerhin war sie jedoch ein potentielles Netzwerk. Irgendwo sammelte jemand Adressen von allen, die überhaupt eine gewisse Homepage besuchten. Diese Homepage musste lokalisiert werden, und in der Verlängerung dessen könnten vielleicht die Personen, die hinter dieser neuen Form von Pädophilenrekrutierung steckten, identifiziert werden.
    Dies war eine aufwendige Arbeit, und sie war in vollem Gange, und ganz ohne professionelle Hilfe. Anderseits war sie mittlerweile selbst Profi. Sie bekam das Gefühl, mit einem Rechner und einem Telefonanschluß so gut wie alles tun zu können.
    Wie war es überhaupt möglich, in einer Welt wie dieser einigermaßen erhobenen Hauptes zu leben? Alles war käuflich. Alles war möglich, wenn das Geld stimmte. Wie viele Menschen auf dem ganzen Globus waren eigentlich mit diesem unterirdischen Gewerbe befasst? Worauf stieß sie? War es die Hölle? Einen Moment lang dachte sie, dass es tatsächlich die Hölle war. Die richtige biblische Hölle. Die sich in jedem Zeitalter wie ein unterirdischer Strom unter dem gewöhnlichen menschlichen Wirken erstreckte, zeitgemäße Formen bildete und empfängliche Menschen zu sich hinabzog. Und wie wurden Menschen empfänglich?
    Sie begann mit diesem Virus einer weltweiten Verschwörung infiziert zu werden, der dann und wann jeden Hacker befällt. Die meisten glaubten, dass die Verschwörung in der Regierung der USA ihren Ausgang nahm, die in geheimen Gewölben UFOs versteckt hielt, die in Labors Aids hergestellt hatte und das Virus in Afrika erprobte. Andere glaubten immer noch an den Kommunismus und die Dominotheorie. Sie selbst hatte die fixe Idee – und da musste sie wirklich auf der Hut sein –, dass nicht zuletzt diese Theorien Teil der Verschwörung waren. Die große Verschwörung bestand natürlich nicht in einer Elitegang, die wie in billigen Thrillern von irgendeinem Hauptquartier aus die Fäden zog – es handelte sich vielmehr um unsichtbare Ideologie. Es bedurfte keiner physischen Grenzposten; es galt, die Grenzposten zu internalisieren, dafür zu sorgen, dass der Ideologe in den Köpfen der Menschen wirksam war. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Demokratie, aber auch das Jahrhundert, in dem man die Demokratie am intensivsten bekämpfte, vor allem aus dem Innern der Demokratie heraus. Wie bekam man — und man war natürlich der Markt, die größte und eigentlich einzige Ideologie der Gegenwart, ein vollkommen uniformes und absolut unflexibles Denksystem, das auf Gewinnmaximierung und nichts anderem als Gewinnmaximierung beruhte –, wie bekam man die Leute dazu zu glauben, sie seien im Besitz der Macht, während sie gleichzeitig der Macht beraubt wurden? Natürlich dadurch, dass man sie am Denken hinderte. Jedes Marketing dreht sich darum, die Menschen dazu zu bringen, das Denken einzustellen und sich statt dessen auf verschiedene Formen wohldurchdachter Idealbilder einzulassen. Ein Image zu verkaufen. Weiter? Massive Anhäufung direkt verdummender Fernsehunterhaltung, die jeden Teenager veranlasste, Programmchef im Fernsehen werden zu wollen, Starrummel, Porno, Sporthysterie, Denken in ethnischen Bahnen, der Zwang, seine Zeit unablässig für absurde Wahlen zu verwenden, von der Müllabfuhr bis zum Stromlieferanten, die Beschränkung jedes wirtschaftlichen Denkens auf die eigene Brieftasche, die immer stärker mit den Börsenkursen gekoppelt war, und schließlich der Biologismus, den Sara Svenhagen als die Krönung der Idee auffasste, die um jeden Preis verbreitet werden musste: dass wir keine Macht über unser Leben haben. Jetzt waren unsere Hirne endlich matschig genug, unser Selbstvertrauen zerrüttet genug, um den Todesstoß zu empfangen: den Gedanken, dass es eigentlich gar keine Rolle spielt, was wir tun oder was mit uns geschieht – alles in unserem Leben wird sowieso von unseren Genen gelenkt. Das war der Todesstoß, und er setzte von allen Flanken ein, in allen Medien gleichzeitig. Was du auch tust, glaube nicht, dass du etwas an deiner Situation ändern kannst. Sie ist durch eine endlose Kette von Generationen vor dir festgelegt. Hast du einen älteren Verwandten, der pädophil ist, so weißt du, dass du selbst pädophil wirst. Es gibt also keine Veranlassung, der Versuchung zu widerstehen. Es ist sowieso vergeblich.
    Sie wurde wütend. Es war Zeit, sich wieder der konkreten Wirklichkeit zuzuwenden.
    Wireus‘ Rechner enthielt eine enorme Anhäufung von Pädophilen-Sites, die meisten davon

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