Falsche Opfer: Kriminalroman
ich oder Ludvig sein?« sagte Sara. Sie fand, dass sie etwas ganz anderes hätte sagen sollen. Hier saß dieser Mann, den sie häufiger im Fernsehen als im Polizeipräsidium sah, und klagte ihren Mentor an, den einzigen Polizeibeamten, den sie wirklich bewunderte: Ludvig Johnsson. Neben Gunnar Nyberg der einzige, den sie wirklich als Kollegen zu bezeichnen wagte.
»Ja«, sagte Hellberg. »Nur du oder Ludvig. Du musst so denken. Hätte ich wirklich den gutgetarnten ›brambo‹ identifizieren können? Hätte ich wirklich eine Erpressung großen Stils gegen einen so notorisch lebensgefährlichen Mann wie Rajko Nedic in Szene setzen können? Würde ich es gewagt haben, mich in seinen Klan von Folterern und Kriegsverbrechern zu begeben? Party-Ragge? Denk doch mal nach.«
Sara Svenhagen schloss die Augen. Sie war überzeugt. Und überwältigt von Trauer.
Ludvig Johnsson. Ihr stellvertretender Papa.
Sie schlug gegen die Kaffeetasse, so dass der Kaffee über die Deutschen spritzte.
Ragnar Hellberg blieb still sitzen, Kaffeeflecken auf dem Anzug.
Sie gab ihm eine schallende Ohrfeige.
39
K erstin geht es gut.«
Einen Moment herrschte Schweigen in der Kampfleitzentrale. Dann brach der Jubel los. Kurz, intensiv, ein Deckel, der sich für eine kurze Sekunde hob. Dann schloss er sich wieder.
Paul Hjelm fuhr fort: »Ich durfte gerade das Krankenhaus verlassen. Auf dem Weg bin ich zu ihr hochgeschlichen. Die Kugel hat sie genau über dem Ohr gestreift und ein Stückchen Knochen vom Schädel hinter der Schläfe abgetrennt und ist weitergeflogen. Dabei wurde ein Blutgefäß verletzt, deshalb sah es schlimmer aus, als es war. Sie hat eine Gehirnerschütterung, aber sie lässt euch grüßen.«
»Und wie sieht es mit dir aus?« fragte Hultin vorn vom Pult.
Sie wechselten einen Blick. Den ersten seit Skövde. Ein Blick zwischen zwei Männern, die getötet hatten. Beide erkannten in diesem Augenblick, über welche eigentümliche Schwelle sie gestiegen waren. Keiner von beiden hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden groß darüber nachgedacht. Jetzt traf sie der Gedanke mit voller Wucht.
Wir haben beide einen anderen Menschen getötet.
Es gab nichts zu sagen.
»Ja, danke«, sagte Hjelm. »Die Kugel ist durch den Arm gegangen und an der Weste abgeprallt. Ein leichter Rippenbruch, aber der Arm hat Glück gehabt. Nur eine Fleischwunde. Aber es tut verdammt weh.«
Hultin nickte und fragte geradeheraus: »Haben alle mit Interna gesprochen?«
Sie nickten. Alle hatten mit der Abteilung für interne Ermittlungen gesprochen. Hjelm war bereits im Krankenhaus mit einem alten Quälgeist namens Niklas Grundström konfrontiert worden. Es war erstaunlich schmerzfrei abgegangen.
Keiner hatte Hultins Pistolenmanöver erwähnt. Es war, als habe es nie stattgefunden.
Er selbst wirkte sonderbar unberührt. »Ja, dann wollen wir mal«, sagte er und streckte sich. »Diese Aktion hat sowohl Plus als auch Minus erbracht. Das große Plus ist, dass wir Eurydice gerettet haben. Das große Minus, dass sie uns entwischt ist. Dass Niklas Lindberg gerade die Gesellschaft verlassen hatte, war kaum unser Fehler. Möglicherweise hätten wir eine Viertelstunde schneller sein können, doch das lag jenseits unserer Einwirkungsmöglichkeiten. Ein geistesgegenwärtiges Mitglied der Gruppe – Hultin warf einen kurzen, aber vielfältig dankbaren Blick zu Söderstedt – hat dafür gesorgt, dass die Krankenwagen umgeleitet und damit die Aufmerksamkeit minimiert wurde. Dennoch reichte es nicht dazu, Lindberg zur Rückkehr zu veranlassen. Er roch natürlich den Braten und löste sich in Luft auf. Dass Roger Sjöqvist und Dan Andersson erschossen wurden, kann man als gerechtfertigt betrachten. Es war natürlich eine Panne, dass Sjöqvist die Möglichkeit hatte, auf Paul zu schießen, und auch dass Andersson auf Kerstin schießen konnte, aber mitnichten ein Dienstvergehen. Alles ging verflixt schnell. Wir haben Eurydices Schuhe, braune Sandalen Größe 40, den Aktenkoffer mit einem Bankfachschlüssel und Agne ›Kulan‹ Kullberg. Dazu also noch den Rechtsextremisten Risto Petrovic in sicherem Gewahrsam. Ordentliche Verhöre mit diesen beiden dürften dazu führen, dass wir eine Vorstellung von Lindbergs weiteren Plänen bekommen. Gegenwärtig sind beide erstaunlich wortkarg. Was wir nicht haben, ist Niklas Lindberg, der Van sowie die Beute aus dem Raubzug durch Westschweden, die sich auf insgesamt fast eine Million beläuft. Falls Lindberg weitere Pläne
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