Falsche Opfer: Kriminalroman
fangen, was sich nicht fangen ließ. Eine Hintertür zu der Organisation des unerreichbaren Nedic. Warum hatte er dann diese Hintertür nicht benutzt? Warum hatte er, ganz im Gegenteil, dafür gesorgt, dass nicht die geringste Spur davon im Ermittlungsmaterial zurückblieb ?
Weil er sich privat an Rajko Nedic herangemacht hatte?
Weil Kommissar Ragnar Hellberg den Drogenhändler Rajko Nedic finanziell erpresste?
Nüchtern betrachtet gab es also zwei Möglichkeiten: Entweder hatte Hellberg ganz einfach eine gewisse Scham darüber empfunden, dass die Signatur ›brambo‹ nicht zu knacken war und sie wegretuschiert – oder er hatte sein Wissen über Rajko Nedic in erpresserischer Absicht genutzt.
Welche dieser Alternativen zutraf, würde Sara Svenhagen in Kürze erfahren, denn durch die Horde deutscher Touristen in Sundbergs Konditorei am Järntorg in Gamla Stan drängte sich gerade Kommissar Ragnar Hellberg, auch bekannt als Party-Ragge. Er strich sich langsam über den kleinen Kinnbart, sah tief konzentriert aus und sank auf den Stuhl ihr gegenüber.
Er machte eine kleine Geste und sagte: »Warum hier?«
»Ich möchte es gern so«, erwiderte Sara nur.
Ragnar Hellberg nickte. Als verstehe er. »Dann lass hören«, sagte er.
»Rajko Nedic«, sagte sie.
Er betrachtete sie. Sein Blick war schärfer, als sie ihn je gesehen hatte. Jede weitere Reaktion blieb aus. »Mach weiter«, sagte er.
»Die Signatur ›brambo‹ ist der Drogenhändler und Restaurantbesitzer Rajko Nedic. Und du hast ›brambo‹ zielbewusst von der Ermittlung ausgeschlossen.«
Er lächelte. Ragnar Hellberg lächelte tatsächlich. Dann legte er seine Hand auf ihre und sah ihr in die Augen. »Danke«, sagte er.
»Wofür denn?« sagte sie und zog ihre Hand fort.
»Dafür, dass du es nicht warst«, sagte er.
Sie merkte, dass sie ihn voller Abscheu anstarrte. »Was ist denn das jetzt für eine Geschichte?« sagte sie.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Ich musste dich testen. Zuerst hatte ich nur vor, alles neue Material von der Gruppe fernzuhalten; deshalb solltest du privat arbeiten, Sara. Dann kam ich darauf, dass es der entscheidende Test sein könnte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würdest du über diese versteckten Homepages stolpern – und sie vielleicht sogar dechiffrieren. Aber das war mehr Nebensache. Wichtig war, ob du mich zur Rede stellen würdest oder nicht.«
Sie spürte, dass ihr Blick jetzt direkt mörderisch war.
Er fuhr fort: »Vor ein paar Wochen durchsuchte ich – aus einem ganz anderen Grund – meine alten Ermittlungen im Rahmen von Operation Cathedral. Ich fand bedeutend mehr Dateien mit meinem Namen, als ich je geschrieben hatte. Jemand hatte unter meinem Namen Ermittlungsmaterial geliefert. Es gelang mir, die fremden Dateien von meinen eigenen zu trennen und sie durchzugehen. Ich durchsuchte alle Internetseiten, auf denen die Signaturen vorkamen. Und dabei fand ich – genau wie du – den ungenannten ›brambo‹. Aber ich hatte keine Chance, ›brambos‹ Identität zu knacken.«
»Und du erwartest, dass ich dir das glaube?« platzte sie laut heraus. Eine Menge Deutscher betrachteten sie skeptisch.
Ragnar Hellberg fuhr ungerührt fort: »Es gelang mir, potentielle Übeltäter einzukreisen. Es konnte sich nur um eine von zwei Personen handeln. Einer meiner beiden Mitarbeiter hatte unter meinem Namen unvollständiges Material geliefert. Einer, der mir eins auswischen wollte, glaubte ich. Jetzt verstehe ich, dass das mehr ein Nebeneffekt war. Die Hauptsache war die Erpressung. Alles Pädophilenmaterial über Rajko Nedic befindet sich jetzt bei diesem Mitarbeiter, und wenn jemand auf die Idee käme, nachzuforschen, würde er bei mir landen. Und du, Sara, warst eine der beiden möglichen Personen.«
»Wie lange hast du diese Sache vorbereitet?« fragte Sara.
Sie wusste nicht, ob sie wirklich fragte. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Aber sie verstand, in welche Richtung die Sache lief.
Sie spürte, wie sie blass wurde.
»Ich habe keine Möglichkeit, es zu beweisen«, sagte Ragnar Hellberg. »Dafür hat er gesorgt. Sein Wort steht gegen meins, und ich weiß, dass mein Wort in der Gruppe ziemlich wenig Gewicht hat. Galionsfigur. Party-Ragge. Wer bin ich gegen Ludvig Johnsson? Den Mann, der seine Familie bei einem Verkehrsunfall verlor und dann die ganze Pädophilen-Abteilung aufbaute. Und dem die Chefposition gestohlen wurde von mir. Dem leichtgewichtigen Partypolizisten.«
»Und es musste also entweder
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