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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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trieb. Um neunzehn Uhr, fünfunddreißig Minuten und vierzig Sekunden. Noch siebenundzwanzig Sekunden.
    Sie saß vollkommen still. Ihr Zeigefinger, der leicht auf der Maustaste ruhte, zitterte nicht das geringste bisschen. Jetzt oder nie. Eine zweite Chance bekam sie nicht. Dann wäre sie für immer verspielt.
    Sie sah vage Konturen eines gleichsam selbstleuchtenden Bauchs.
    Die Adresse war eingegeben, www. usw. Schnell die Retourtaste und dann mit dem Mauspfeil zu der unterstrichenen Zeile. Alles war vorbereitet. Der Countdown lief.
    Neunzehn Uhr, sechsunddreißig Minuten, null Sekunden.
    Sieben, sechs, fünf, vier, drei.
    Zwei.
    Eins. Null.
    Retourtaste.
    Und da war sie. Die Homepage. Anspruchslos. Undurchdringlich.
    Aber mit einer unterstrichenen Zeile.
    Hin mit dem Mauspfeil. Klick. . Speichern?
    Aber klar doch.
    Es rasselte ein bisschen auf der Festplatte. Sie war drin.
    Und die Website war fort.
    Sara Svenhagen lehnte sich leicht im Stuhl zurück. Die Andeutung eines Lächelns. Das konnte sie sich erlauben.
    Ein großer Bauch glomm leuchtend im Dunkeln.

9

    R auf und runter, vor und zurück, immer wieder.
    Wie das Pendel einer Uhr. Tick-tack.
    Fünf, sechs Jungen im Alter von zehn bis zwölf fuhren Skateboard im Björnschen Garten. Und zwei geläuterte Polizeiinspektoren sahen ihnen von einer Parkbank zu.
    Als Paul Hjelm sich zuletzt im Björnschen Garten aufgehalten hatte, war es der schäbigste, heruntergekommenste öffentliche Platz der ganzen Stadt gewesen. Ein Tummelplatz für Junkies und Alkis. Und jetzt war es nahezu eine Oase. Mit dem eleganten kleinen Cafe Viva Espresso, mit üppigem Grün, Spielplatz und Skateboardrampe. Und bald Stockholms erster Moschee.
    Da kann man von Metamorphose sprechen, dachte Paul Hjelm.
    Und nicht nur da. Die gesamte Gegend um Medborgarplatsen hatte ihren Charakter geändert. Hier schlug jetzt der Puls von Södermalm. Der Bereich um die Kreuzung von Götgata und Folkungagata war nicht nur das Kneipenviertel, zu dem es neu Hinzugezogene vom Land als erstes hintrieb, es war nicht nur als Stockholms gefährlichste Ecke bekannt, sondern als das Viertel mit Stockholms höchster Kneipendichte. Im Umkreis von fünf Minuten Fußweg um die U-Bahnstation Medborgarplatsen lagen nicht weniger als fünfundsechzig Kneipen. Um den klassischen Würstchenstand an der Ecke Götgata-Tjärhovsgata drängten sich zu jeder Stunde Menschen. Und gerade gegenüber, auf der anderen Seite der Götgata, an der äußeren Ecke von Medborgarplatsen, lag das große Straßencafe des aufwendigen Etablissements mit dem jetzigen Namen London New York. Und auf der anderen Seite von Medborgarplatsen ringelten sich die Schlangen zu der ständig gefüllten Kneipe mit dem eher bodenständigen Namen Snaps.
    Es musste also genaugenommen hinlänglich viele Zeugen dort draußen gegeben haben, als zwanzig Mann auf einen Schlag aus dem nur zehn Meter entfernten Kvarnen herausstürzten. Die nicht gerade überwältigend stimulierende Aufgabe, diese ausfindig zu machen, war an die Polizeiwache des Stadtteils Södermalm delegiert worden.
    Doch was hatten diese potentiellen Zeugen auf der anderen Seite gesehen? Einen Schwarm von Kneipengästen, die herausstürmten und davonliefen? Das war in diesen Breiten nichts besonders Außergewöhnliches. Die Streifenpolizisten hatten einen ziemlich aussichtslosen Job vor sich.
    Hjelm seufzte leicht und versuchte Menschen zu zählen. Allein von seiner Bank am Rand des Björnschen Gartens aus bekam er locker an die fünfzig zusammen.
    Seit der Sommersonnenwende waren erst ein paar Tage vergangen, und es war immer noch hell. Es war acht Uhr am Abend, und die Sonne schien fast so intensiv wie mitten am Tag. Die Luft wirkte frisch, beinah wie auf dem Lande. Vögel sangen froh und naturgetreu. Sonnenstrahlen funkelten in den Fenstern von Björns Trädgardsgränd. Kleine Kinder tollten noch munter auf dem Spielplatz, überwacht von schläfrigen Eltern. Und die Skateboardjungs würden bestimmt bis zum Einbruch der Dunkelheit bleiben.
    Nichts deutete darauf hin, dass vor weniger als vierundzwanzig Stunden nur ein paar Meter entfernt ein Mann verblutet war.
    Das Erschrecken der Öffentlichkeit über den Kvarnenmord hielt sich in Grenzen. Obwohl die Boulevardpresse wieder einmal Panikmache betrieb. Aber vermutlich hatten die Leute von Panikmache ganz einfach genug.
    Es war nämlich ein Frühjahr der Gewalt gewesen. Die akuten Stadien des langen Bombenkriegs der Nato gegen Jugoslawien waren

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