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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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wissen Sie aber, dass die Gesetze in bezug auf den Besitz von Kinderpornographie in der letzten Zeit wesentlich verschärft worden sind.«
    »Ich weiß«, sagte er tonlos und senkte den Blick auf die Tischplatte. »War es das Internet?«
    »Darauf kommen wir später. Sie hatten eine äußerst erfolgreiche Firma in Varberg, die eine Art Filter für Volvo herstellte, nicht wahr? Zulieferer. Sie gründeten die Firma in den sechziger Jahren, und nachdem sie den Volvo-Vertrag unter Dach und Fach hatten, schoss der Wert in die Höhe. Als Sie den Betrieb vor fünf Jahren verkauften, erhielten Sie eine hübsche Anzahl von Millionen. Und jetzt ist der Volvo-Vertrag annulliert worden, und die Firma ist in Konkurs gegangen. Clever gemacht.«
    »Geht es hier um meine Geschäfte?« fragte John Andreas Wireus äußerst verwundert.
    »Nein«, sagte Sara Svenhagen. »Ich fasse nur zusammen. Sie verkauften die Firma und wurden finanziell unabhängig. Sie steckten ein paar Millionen in die Wohnung im Söder-Turm, schafften sich eine großartige Möbeleinrichtung an und verbrachten dann Ihre gesamte Zeit damit, im Fenster zu sitzen und aus dem sechzehnten Stockwerk Kinder zu fotografieren. Warum?«
    Er schwieg, betrachtete seine weißen Knöchel, schaute auf und sagte: »Ich habe Kinder gern.«
    Sie hielt einen Videofilm hoch. Sie öffnete ein Album und hielt ihm eine Seite nur wenige Zentimeter vors Gesicht. »Nein«, sagte sie. »Den Teufel tun Sie. Sie haben Kinder nicht gern. Sie begehren Kinder. Das ist ein verdammter Unterschied. Also warum machen Sie diese Bilder?«
    Er starrte auf seine Knöchel. Nach ungefähr einer halben Minute zog sie das Album weg und begegnete einem völlig nackten Blick. Einem nackt fragenden Blick. Der tatsächlich eine Antwort auf genau die Frage zu suchen schien.
    »Ich glaube«, sagte Sara Svenhagen, »dass Sie Ihre Sexualität hassen, dass Sie am liebsten kastriert sein möchten. Sie glauben, Sie haben Kinder gern. Aber in Wirklichkeit möchten Sie Kind sein. Sie wollen Kind sein. Sie sitzen da oben in Haglunds Halbständer und bilden sich ein, die Perspektive eines Kindes einzunehmen, doch eigentlich haben Sie ja eine gewaltige Distanz von sechzehn Stockwerken zwischen sich. Wie um den Abstand zu markieren. Die reale Unerreichbarkeit. Es ist ja ein per definitionem unmögliches Projekt. Sie sitzen da in sicherem Abstand und machen Aufnahmen, vollkommen manisch. Fünf-, sechstausend Stück, seit Sie vor ein paar Jahren eingezogen sind. Sie suchen das perfekte Kindheitsbild, aber das haben Sie selbst unmöglich gemacht. Sie haben sich ganz zielbewusst in eine solche Distanz begeben, dass das perfekte Bild nie möglich wird, das Sie wieder zu einem Kind machen könnte. Das ganze Projekt dreht sich um Ihr ständiges und grundsätzlich unmögliches Streben danach, ein Kind zu werden. Und wenn das Begehren einsetzt, bestrafen Sie sich, indem Sie das Allerheiligste schänden: das Kind in sich selbst. Wie allen Pädophilen ist Ihnen das physische Kind, das wirkliche Kind, vollständig gleichgültig. Alles dreht sich immer nur um das Kind in Ihnen selbst. Wenn Sie dasitzen und sich zu Bildern von Kindern, die gequält werden, einen runterholen, dann bestrafen Sie das Kind in sich selbst. Das Sie verhöhnt, indem es niemals ans Tageslicht kommen kann. Das da sitzt und Sie um die Testikel gepackt hält und Sie zu zerreißen droht.«
    John Andreas Wireus starrte Sara Svenhagen an. Sie fühlte sich fast ein wenig verschwitzt, wie nach einem Dauerlauf der Sprechorgane.
    »Ja«, flüsterte er. »So kann es sein.«
    »Aber Sie sind mir scheißegal«, sagte sie roh. »Ich will wissen, wie Sie in einem Pädophilennetzwerk im Internet gelandet sind.«
    Wireus blinzelte. Er konnte sein Ich nicht verlassen. Er saß vollkommen in sich selbst fest. Der ganze Mann schien eine Mauer zu sein, die einschloss und einschloss, bis nichts mehr da war, das einschließbar war. Alles war Mauer. »Ich weiß es tatsächlich nicht«, sagte er schließlich. »Ich war auf einer Seite und habe Bilder angeschaut. Dann begannen die Bilder in den E-Mails nur so hereinzuströmen. Ich weiß nicht, wie. Sie müssen irgendwie an meine Adresse gekommen sein.«
    »Lügen Sie mich nicht an.«
    »Das tu ich nicht. Ich lüge nie. Aber ich bleibe für mich. Seit fünfzig Jahren trage ich mein Geheimnis mit mir herum. Ich habe meinem Begehren niemals stattgegeben, es existiert nicht, es ist virtuell, und niemals habe ich jemand anderen von ... meiner

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