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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Rechts sah sie den Komplex der Södermalmshallen mit ihrem doppelten Lichtspielpalast und die Ränder des merkwürdigen halbkreisförmigen Riesengebäudes, das den Namen Bofills Bogen trug. Geradeaus lag der expandierende Medborgarplats mit allen leeren Straßencafes und dem alten Medborgarhus mit Bad und Bibliothek. Und auf der linken Seite die Götgata und der rechte Teil des Björnschen Gartens.
    Sie wandte sich wieder der wunderbaren Wohnung zu und tat ihr Bestes, um dieses zweifellos geschmackvolle Ambiente mit den schäbigen Praktiken des Pädophilen in Einklang zu bringen.
    Aber die Offiziere in Auschwitz waren ja auch ziemlich fein eingerichtet.
    Im Videoschrank fand sie auf Anhieb eine ganze Serie Kinderpornofilme. Das Dilemma war damit aus der Welt. Es gab ausgezeichnete Gründe für eine Festnahme. Sie ging weiter die Wohnung durch. Im Schlafzimmer lagen drei umfangreiche Alben mit Kinderpornoaufnahmen.
    Die kleinere der Toiletten war als Dunkelkammer eingerichtet. Sie knipste die rote Lampe an und trat in eine eigentümliche Bilderwelt ein. An einer Wäscheleine unter der Decke hingen neue Fotoabzüge. Wahre Berge von Fotos lagen überall verteilt. Sicher fünf-, sechstausend. Und alle hatten mehr oder weniger das gleiche Motiv.
    Sie hatte einen monströsen Anblick von der Art erwartet, wie er einen Menschen von Grund auf verändert. Fünf-, sechstausend Bilder von sexuellen Übergriffen auf Kinder. Der Söder-Turm als ein Turm zu Babel, die Ursache dafür, dass Gott sich gegen die Menschen wendet. Die Wohnung als das schrecklichste Pädophilennest des Landes. John Andreas Wireus als Doktor Mengele.
    So war es nicht. Zwar waren es Bilder von Kindern, doch sie schienen sämtlich vom Fenster in Haglunds Latte aus aufgenommen zu sein. Sommer, Frühling, Winter, Herbst. Kinder, die auf der Kunsteisbahn auf Medborgarplatsen Schlittschuh liefen. Kinder, die auf dem Weg vom Lichtspielpalast durch den Regen liefen. Kinder, die in der Sommersonne mit Hula-Hoop-Reifen spielten. Kinder, die zwischen schmutzigen Schneehaufen Skateboard fuhren. Kinder mit Fähnchen von McDonald›s an der Kreuzung Götgatan-Folkungagatan. Kinder, Kinder, Kinder. Und die meisten Fotos waren ausgezeichnet. Sehr schöne Kinderbilder. Sie strahlten ein spürbares Gefühl für die Existenzform des Kindes aus. Des Kindes an sich. Sie war zutiefst erstaunt.
    Es waren Schwarzweißfotos mit aufgedrucktem Datum. Es war wie eine lange Dokumentation eines Platzes, mit Kinderaugen gesehen. Sie dachte an den Film Smoke, in dem Paul Auster Harvey Keitel seine kleine Ecke der Welt dokumentieren lässt.
    John Andreas Wireus hatte seine kleine kranke Ecke der Welt dokumentiert. Mit den Augen eines Kindes.
    Sie sah auf die Fotos an der Wäscheleine. Das letzte Datum war der siebte Juni. In einem Einmachglas auf dem Toilettendeckel lagen an die zwanzig unentwickelte Filme. Sie nahm das Glas mit, dazu eine zufällige Anzahl Fotos. In der Küche fand sie eine Konsum-Tragetasche und packte alles hinein. Dann kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und packte auch die Alben in die Tragetasche, ging wieder ins Wohnzimmer und legte die Kamera sowie ein paar Kinderpornofilme dazu.
    Sie setzte sich an den eingeschalteten Laptop und prüfte, ob er passwortgeschützt war. Das war er. Sie hob die Passwortsperre auf, schaltete den Laptop aus und packte ihn zusammen. Jede einzelne Diskette wanderte in die Konsumtüte.
    Dann zog sie die aufgebrochene Tür zu, klebte eine Polizeiwarnung darauf und wartete auf einen der zurückkehrenden Polizeiassistenten.
    »Habt ihr den Schlosser benachrichtigt?« fragte sie.
    Er nickte.
    Sie nickte.
    »Nimm das Laptop mit«, sagte sie und ging.
    Sie schlenderte durch den Fatburspark, an Bofills Bogen vorbei, und nahm Kurs auf die enorme Uhr über Södra-Station. Dann war sie bei der Polizeiwache in der Fatbursgata 1. Sie ging ohne weiteres an der Anmeldung vorbei und folgte dem ausgestreckten Zeigefinger des Polizeiassistenten zum Vernehmungsraum. John Andreas Wireus saß da und sah aus wie ein Bankdirektor in der Sommerfrische. Ohne eine Miene zu verziehen, packte sie das Mitgebrachte auf den Tisch. Den Haufen mit Fotos, das Einmachglas mit Filmrollen, die Alben mit Kinderpornobildern, die Kinderpornovideos, die Kamera. Dann betrachtete sie ihn.
    Er wich aus. Ertappt.
    Wie ein Kind.
    »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er artig.
    »Ich glaube nicht, dass Sie ein praktizierender Pädophiler sind«, sagte Sara Svenhagen. »Andererseits

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