Falsche Opfer: Kriminalroman
acht Spuren waren. Vier Jahre alte Reebok Größe 40.«
»Vier Jahre alt?« fragte Norlander erstaunt.
»Offensichtlich«, sagte Chavez und suchte in einem von Brynolf Svenhagens kriminaltechnischen Protokollen. Es gab inzwischen zahlreiche. Svenhagen befand sich in Ekstase. Die Protokolle überrollten sie. Karnevalsüberschwang.
»Man kann die Jahresmodelle unterscheiden«, sagte Kerstin Holm insider-schlau. »Die Sohlen sehen jedes Jahr anders aus.«
»Kommt zur Sache«, sagte Hultin.
»Erstens führen die Spuren in die falsche Richtung«, sagte Chavez. »Zweitens: Niklas Lindbergs Männer scheinen nicht von der Sorte zu sein, die schlampige Spuren in Blutlachen hinterlassen.«
»Sie waren schlampig genug, sich erschießen zu lassen«, sagte Hultin und zuckte mit den Schultern. »Die Hälfte von ihnen wurden von Männern erschossen, beziehungsweise angeschossen, die, soweit man es beurteilen kann, bereits gefilzt worden waren. Es ist denkbar, dass wir ihre Professionalität überschätzen. Und dass die Spuren in die falsche Richtung führten, besagt wohl nichts anderes, als dass derjenige, der den Koffer holte und ihn vom Blut seines Kumpans bespritzt fand, geschockt war. Er machte ein paar unbedachte Schritte in dem Blut. In die falsche Richtung. Dann hatte er das Blut von den Turnlatschen abgetreten. Er machte kehrt. Und kam zurück. Lasst uns nicht aus der Feder ein Huhn machen.«
»War nur eine Beobachtung«, murmelte Chavez und dachte an Korbflechten und andere anregende Aktivitäten für Pensionäre.
»Größe 40«, sagte Hjelm. »Ist das ein kleiner Mann? Oder eine Frau? Eskil Carlstedt hatte mindestens Größe 47.«
»46«, sagte Chavez, den Blick in Qvarfordts gerichtsmedizinischem Protokoll.
»Es gibt keine richtig regelmäßige Entsprechung von Schuhgröße und Körpergröße«, sagte Kerstin Holm. »Oder irgendeiner anderen anatomischen Größe ...«
»Weiter?« sagte Hultin. »Kumla?«
Söderstedt und Norlander sahen sich an. Beide schienen dem anderen das Wort überlassen zu wollen.
Schließlich sagte Norlander: »Alle halten die Schnauze.«
»Nur weil du ständig allen erzählst, sie sollen die Schnauze halten«, sagte Söderstedt. »Ich mache dich persönlich für alle gehaltenen Schnauzen verantwortlich.«
»Schnauze«, sagte Norlander.
Söderstedt fuhr fort, von seiner eigenen Schlagfertigkeit inspiriert: »Dem Wachpersonal zufolge gab es in Kumla eine Art Nazi-Clique. Nichts Neues unter der Sonne. Organisierte Verbrecher sind heutzutage anscheinend entweder Einwanderer oder Nazis. Vielleicht ist das, was wir in der Unterwelt beobachten, eine Art unschönes Vorspiel einer breiteren gesellschaftlichen Entwicklung. Oder eher eine deutlichere, »weniger verdeckte Version der Polarisierung, die in der Gesellschaft immer greifbarer zutage tritt. Wie verhält es sich denn genaugenommen mit dem Rassismus, wenn wir einmal nachfragen. Wenn wir ein wenig an der Oberfläche kratzen. Im Moment brauchen wir nicht sonderlich beunruhigt zu sein, was nazistische Parteibildungen und dergleichen angeht; dagegen sollten wir wachsamer denn je den inneren Feind im Auge behalten. Also den Feind in uns selbst. Da scheinen sich die Haltungen verändert zu haben. Eine Sperre ist gelöst worden. Es ist nicht leicht zu erkennen, doch seit einigen Jahren zeigt sich ein Unterschied. Es scheint plötzlich bedeutend leichter geworden zu sein, andere Menschen als Objekte zu sehen. Als Nicht-Menschen. Als Menschen, die nicht das gleiche rote Blut haben wie wir. Ist die ethnische Säuberung im Kosovo und in Bosnien eine strikt innere, historische Angelegenheit des Balkan, oder hat sie trotz allem mit einer breiteren Veränderung der, tja, aufgeklärten Mentalität zu tun. Wie groß ist eigentlich der Schritt von da, dass man alle Einwanderer nach Rinkeby oder Hammarkullen oder Rosengard schickt, zu dem Punkt, dass man Menschen aus ihrer Heimat vertreibt?«
»Zurück zu Kumla«, sagte Hultin vollkommen neutral.
Söderstedt wechselte ohne größere Probleme die Spur. »Niklas Lindberg und Sven Joakim Bergwall gehörten beide zu dieser nazistischen Clique. Möglicherweise war Lindberg der führende Mann. Im übrigen haben wir so an die zwanzig Namen zusammengekratzt. Acht von diesen sind inzwischen entlassen. Möglicherweise ist unter den Räubern noch der eine oder andere von diesen acht Namen, doch das lässt sich im Moment nicht mit Bestimmtheit sagen. Drei der Entlassenen haben die Blutgruppe AB negativ,
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