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Falsche Zungen

Falsche Zungen

Titel: Falsche Zungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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grauenhaften Schock ihres Lovers. Aber meine Frau kam gesund nach Hause.
    In meiner Verzweiflung beschloß ich, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Am folgenden Samstag fuhr ich zu Sonja und blieb die ganze Nacht bei ihr. Wenn Hilde schon nicht sterben wollte, so sollte sie in Zukunft zumindest leiden wie ich.
    Nach der Liebe schlief ich wie ein junger Gott. Sonja war, trotz einer Erkältung, selbst im Schlaf ein Muster an Disziplin.
    Als ich meine Liebste wachküssen wollte, war sie starr und kalt. Auf ihrem Nachttisch standen Hildes Nasentropfen.
    Donau so grau
    Vielleicht lag es daran, daß ich ohne Schwestern aufgewachsen bin; jedenfalls hat mich erst meine Schwiegermutter über PMS aufgeklärt. Als ich mich als junger Ehemann zum ersten Mal über Marinas patzige Launenhaftigkeit beklagte, behauptete ihre Mutter steif und fest, PMS verschwinde nach dem ersten Kind. Einige meiner verheirateten Leidensgenossen, die ich über das prämenstruelle Syndrom befragte, konnten zwar auch von gelegentlichen Verstimmungszuständen ihrer Frauen berichten, doch in den meisten Fällen schien es sich nur um körperliche Beschwerden zu handeln. Natürlich bohrte sich der Zaunpfahl meiner Schwiegermutter tief in mein Herz, und ich sorgte rasch für das erste Kind. Schon bald erwies es sich allerdings als Fehlschlag, und auch das zweite und dritte Baby hatte keinen Einfluß auf PMS.
    Für einen Außenstehenden ist es kaum zu verstehen, wie sehr mich die permanente Verdrossenheit meiner Partnerin bedrückte. Bereits beim Frühstück blickte ich in das Antlitz der Mater dolorosa - wobei das noch die milde Variante war. Abends hatten sich Marinas miesepetrige Züge in die eines kranken Orang-Utans verwandelt, den ich vor Jahren in einem Budapester Zoo bedauert hatte.
    Nach Jahren der Duldsamkeit konnte ich es irgendwann nicht mehr glauben, daß allein die Hormone für Marinas schlechte Laune verantwortlich sein sollten. PMS trat bei ihr nicht bloß 6 bis 8 Tage vor der Regel auf, sondern ging nahtlos in ein intra- und schließlich postmenstruelles Syndrom über. Sollte ich auf die Wechseljahre hoffen? Doch sowohl Meno- als auch Postmenopause waren sicherlich erst recht eine gute Ausrede für Griesgram-Syndrome. Allmählich dämmerte mir, daß Marinas Muffigkeit ein Charakterzug war, der sich nicht ändern ließ.
    Unter diesen Umständen war es nicht weiter verwunderlich, daß ich mich in eine junge Frau verliebte, die ein Praktikum in meinem Betrieb absolvierte. Von ihren arktischen Ahnen hatte sie das ruhige Temperament geerbt, ebenso ein plattes Mondgesicht. Doch das tat meiner Leidenschaft keinen Abbruch, denn ich sah mir ihren gar nicht platten Busen sowieso viel lieber an. Mit dem Mut der Verzweiflung suchte ich sogar einen Rechtsanwalt auf, der mich leider belehrte: Finanziell würde mich die Scheidung ruinieren.
    Ich war nicht mehr jung, aber meine Freundin Jennifer war es. Wochenlang rechnete ich hin und her und knirschte dabei mit den Zähnen vor Zorn. Da ich ein weitgehend nüchterner Mensch bin, weiß ich durchaus, daß meine Großzügigkeit ein wesentlicher Bestandteil meiner Anziehungskraft ist. Nach reiflichem Überlegen faßte ich den Entschluß, meine Frau durch einen perfekten Mord aus dem Weg zu schaffen.
    Einem spurlosen Verschwinden mit zermürbenden und aufwendigen Suchaktionen fühlte ich mich nicht gewachsen. Da man aber im Bekanntenkreis und in der Nachbarschaft Marinas Mißmut seit Jahren als Niedergeschlagenheit interpretierte, konnte ich gezielt ein paar Andeutungen über eine schwere endogene Depression in Umlauf setzen. Im Betrieb, in der Verwandtschaft, selbst bei den eigenen Kindern stieß ich sofort auf teilnahmsvolles Verständnis. Einige Mitmenschen meinten sogar, sie hätten insgeheim längst die richtige Diagnose gestellt. In hohem Maße suizidgefährdet, das mußte nun jeder annehmen und würde es gegebenenfalls bezeugen können.
    Auf allen meinen Ungarnreisen hatte ich stets im gleichen Hotel in Buda übernachtet. Der Blick auf die Kettenbrücke und die graue Donau hatte es mir angetan, so daß ich immer auf einem Zimmer in den obersten Stockwerken bestand. Ein Sturz aus dieser Höhe war sozusagen idiotensicher. Glücklicherweise hatte man sich hier noch nicht dafür entschieden, die türhohen Fenster zugunsten einer Klimaanlage zu verrammeln.
    Als Täterin kam eigentlich nur meine Geliebte in Frage, die ja auch ein persönliches Interesse an einer sauberen Lösung haben mußte. Da Marina mickerig

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