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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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dröhnten aus unterschiedlich guten Stereoanlagen, hin und wieder übertönt vom Verkehrslärm auf der Straße.
    Die Tür ging auf.
    Eine erschreckend zerbrechliche, hagere Frau stand vor mir. Sie war keinen Tag älter als neunundzwanzig, doch ihr braunes Haar war schon mit grauen Strähnen durchzogen. Ihr Atem war ein lakonisches Keuchen, und ihre grünen Augen waren schon seit langer Zeit nicht mehr klar gewesen. Trotz all dem konnte man erkennen, dass sie einmal sehr hübsch gewesen sein musste.
    »Können Sie ihn nicht in Ruhe lassen?«, fragte sie ohne große Überzeugung.
    »Ich bin hier, um Ron zu helfen, Miss Spyres. Ich arbeite für seinen Anwalt.«
    Wilmas Gesicht verspannte sich zu einem höhnischen Grinsen, das ihre Verachtung für Anwälte und deren Lakaien ausdrücken sollte. Ich konnte es ihr ehrlich gesagt nicht verdenken. Die wortlose Grimasse verriet mir, dass noch nie jemand ihr oder einem Mann, auf den sie Anspruch erhob, hatte helfen wollen.
    »Darf ich reinkommen?«
    »Was wollen Sie?«
    »Ich muss mit Ron nur ein paar Details durchgehen. Das ist alles.«
    Sie zog die Schultern hoch und versuchte, mich mit ihrer grimmigen Miene auszulöschen.
    »Will«, sagte ein Mann.
    Ron Sharkey tauchte hinter ihr auf. Er war eher klein, aber immer noch ein paar Zentimeter größer als Wilma und ich. Er trug eine zu weite graue Hose, die von grünen Hosenträgern gehalten wurde. Sein grauweißes T -Shirt war ausgefranst, seine Füße waren nackte, blasse Wesen.
    Er legte seine Hände auf die Schultern der Frau und fragte: »Hat Lewis Sie geschickt?«
    Ich nickte und runzelte vielleicht ein wenig die Stirn.
    »Wie war noch mal Ihr Name?«
    »John Tooms.«
    »Kommen Sie rein, Mr. Tunes. Keine Angst wegen Will. Sie beißt nicht.«
    Im Wohnzimmer standen ein Sofa und ein Sessel, die nicht zueinander passten und beide mit dunklen fleckigen Laken bedeckt waren. Der Couchtisch bestand aus einer umgedrehten unbehandelten Holzkiste. Auf dem provisorischen Möbelstück stand eine Bong neben einer Art Spritzbesteck.
    »Lass mich ein paar Minuten mit Mr. Tunes allein, ja, Schätzchen?«, sagte Ron zu seiner Frau.
    Sie schnaubte und schleppte sich den Flur hinunter, der vermutlich zum Schlafzimmer führte.
    Ron schloss die Tür hinter ihr.
    »Setzen Sie sich, Mr. Tunes«, lud er mich ein.
    In der Ecke lehnte ein Klappstuhl aus Holz. Ich dachte an die sichtbaren Flecken und die unsichtbaren Nadeln und wählte ihn.
    »Tooms«, sagte ich.
    »Wie?«
    »Mein Name ist Tooms, nicht Tunes.«
    »Tut mir leid. Wie kann ich Ihnen helfen, Mr. Tunes?«
    Als er versuchte, sich auf die Holzkiste zu setzen, knackte sie leise, sodass er auf das Sofa wechselte und tief in dem dunkelbraunen Polster versank.
    »Ich erledige Spezialaufträge für Breland«, sagte ich. »Er glaubt, dass Sie möglicherweise Hilfe brauchen, um sich aus der Klemme zu winden, in der Sie stecken.«
    »Nee. Ich doch nicht. Lewis hat mich auf Kaution rausgekriegt. Ich muss bloß noch vor Gericht aussagen. Ich geh garantiert nicht in den Knast. Ich meine, es war nicht mal mein Wagen.«
    »Im Kofferraum befand sich Schmuggelware«, sagte ich.
    »Hören Sie, Mr. Tunes. Es ist okay. Keiner macht sich Gedanken über einen kleinen Fisch wie mich. Ich muss dem Richter bloß erklären, dass ich die Karre gefunden habe, der Schlüssel gesteckt hat und ich sie für eine kleine Spritztour ausgeliehen habe. Und so war es ja auch. Es ist wirklich okay.«
    »Wessen Wagen war es denn?«, fragte ich.
    »Nicht meiner.«
    »Aber wir können doch davon ausgehen, dass es einen Besitzer gibt«, erwiderte ich. »Soweit ich weiß, steckte eine Menge Schotter in dem Fahrzeug.«
    Sharkey begann, mit der linken Ferse zu wippen, wie eine unterbezahlte Näherin an einer mechanischen Maschine.
    »Ich wusste nicht, was im Kofferraum war.«
    »Irgendjemand wusste es«, sagte ich. »Und das FBI wird sehr daran interessiert sein zu erfahren, wer. Die werden Sie unter Druck setzen … und zwar massiv.«
    Ron hatte ein jungenhaftes Gesicht. Es sah viel älter aus, als es an Jahren war, doch es hatte noch immer diesen unschuldigen, jugendlichen Ausdruck.
    »Hören Sie, Mann«, sagte er, »jemand in meiner Lage braucht sich keine Sorgen darüber machen, was passieren könnte. Ich meine, schauen Sie mich an. Früher oder später erwischt mich irgendwer oder irgendwas. Ich weiß nicht mal, wie ich hier gelandet bin. Eigentlich sollte ich Computerteile verkaufen und den Sommer auf den Bermudas verbringen.

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