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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Jetzt drehe ich meine eigenen Zigaretten und blicke zu Wilma auf, weil sie immerhin fast jeden Monat die Miete zusammenkriegt.«
    Ich wollte etwas sagen, doch mir fehlten die Worte.
    »Sie könnten mir allerdings einen Gefallen tun«, sagte Ron.
    »Und der wäre?«
    »Meine Frau. Meine Exfrau. Irma.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Ich habe Breland gebeten, sie für mich zu finden,doch er meinte, das könne er nicht. Wissen Sie, ich würde ihr wirklich gern sagen, wie leid es mir tut, dass ich ihr Leben zerstört habe. Sie hat meinen Sohn. Ich würde Steve gern noch mal sehen, bevor ich sterbe.«
    Was würde es helfen, ihm zu erzählen, dass seine geliebte Irma ihn betrogen und Drogen in seinem Schuh versteckt hatte?
    »Sie heißt jetzt mit Nachnamen Carson«, sagte Ron. »Ihr Mädchenname ist Connors, dann Sharkey, dann Beam und schließlich Carson. Ich schätze, deswegen ist es auch so schwer, sie zu finden.«
    »Ich kann mir die Sache ja mal ansehen.« Was sollte ich sonst sagen?
    »Hey, Mann«, erwiderte Ron ergriffen. »Das wäre toll.«

20
    Ich verließ Wilmas Wohnung in mieser Stimmung. Die jungen Liebenden lagen immer noch in einer Ecke auf dem Absatz im vierten Stock, Arm in Arm aneinandergeschmiegt. Er hatte die Augen geschlossen, während sie beobachtete, wie ich vorbeiging. Als ich in ihre abwesenden Pupillen schaute, schmeckte ich Blut.
    So fest hatte ich mir auf die Unterlippe gebissen.
     
    Auf der Straße sah ich auf die Uhr. Die grün leuchtenden Zeiger sagten mir, dass es 19.07 Uhr war. Einmal in Schwung, schlenderte ich zu einem Schnapsladen in der Bowery und kaufte einen halben Liter billigen Scotch. Wenn ich Scotch kaufte, achtete ich immer darauf, den billigsten zu nehmen. Warum gutes Geld ausgeben, wenn man den Geschmack hasst? Für mich war Bourbon der König und Scotch höchstens ein Thronanwärter.
     
    Ein Stück die Avenue C hinunter kam ich zu einem Gebäude, das noch dunkler war als die meisten anderen in der Gegend. Immerhin gab es eine Klingel.
    »Ja?«, fragte eine Frau mittleren Alters über die Gegensprechanlage.
    »Mrs. Lear?«
    »Ja?«
    »Nein Name ist Tooms. Ich suche Ihre Tochter.«
    »Was wollen Sie von ihr?«
    »Ein Mann namens Spender hat mich beauftragt, sie zu suchen«, warf ich ihr einen Namen aus Rinaldos Akten vor. »Sie ist seit ein paar Tagen nicht zur Arbeit gekommen, und er macht sich Sorgen.«
    »Haben Sie sie angerufen?«
    Ich ratterte ihre Festnetznummer herunter. Natürlich hatte ich dort angerufen und niemanden erreicht, nicht einmal einen Anrufbeantworter.
    »Ich war auch bei ihrer Wohnung in der 12 th Street«, fügte ich hinzu. »Und jetzt bin ich hier, um Sie zu fragen.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Ich habe gehört, dass die Menschen im Herzen Amerikas froh sind, einem anderen zu begegnen und sich auf einen Plausch mit ihm hinzusetzen. Aber in New York bedeutet die Stimme eines Fremden zuallermindest eine potenzielle Bedrohung – womöglich eine reale Gefahr.
    »Warum suchen Sie sie?«, fragte Mrs. Lear schließlich.
    »Darf ich hochkommen, Ma’am?«
    »Ich weiß nicht, wer Sie sind.«
    »Tooms, Ma’am. Ich arbeite für Larry Spender … Angeliques Boss.«
    »Ja«, sagte sie, »Spender.« Dabei blieb sie einen Moment länger als beabsichtigt an dem S hängen.
    Ein Summer ertönte, und ich drückte die Tür auf.
    Das Haus war sehr viel ordentlicher als das von Ron Sharkey. Im Flur roch es nach Schimmel, aber niemand setzte sich im Treppenhaus einen Schuss. Im vierten Stock lagen vor jeder Wohnungstür kleine Willkommen-Fußmatten. Als ich das Apartment 4 C erreichte,spähte eine sehnige Frau Mitte vierzig heraus, bereit, die Tür sofort wieder zuzuschlagen.
    Sie trug ein altweißes Kleid, das an ihrer schlanken Figur nicht mit Absicht, sondern aus Gewohnheit gut saß. Ihr Gesicht sah älter aus als die sechsundvierzig Jahre, die sie laut Rinaldos Unterlagen zählte, aber man konnte noch Spuren ihrer einstigen Schönheit erkennen.
    »Das ist ein schicker goldener Anzug«, sagte sie, als ich vor ihr stand.
    »Danke. Meine Frau hat mich überredet, ihn zu kaufen.« Ich warf einen verstohlenen Blick auf die Ärmel, um mich zu vergewissern, dass Shad Tandys Blut nicht daran klebte – soweit ich erkennen konnte, war das nicht der Fall.
    »Sie hat einen guten Geschmack.«
    »In allem außer Männern.«
    »Kommen Sie rein«, lud sie mich, becirct von meinem Scherz, ein.
    Das Wohnzimmer war klein und abgewohnt. Die Möbel waren bestimmt neu gewesen, als die

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