Falscher Ort, falsche Zeit
Schüler, Shad«, sagte sie sehr freundlich, ja beinahe munter. »Mr. McGill ist ein Laufkunde, aber ich wusste, dass du die Stunden wolltest.«
Sie waren garantiert einmal ein Paar gewesen. Shad hörte die Drohung in ihrer angenehmen Stimme. Er blickte mich an, sah, was sie gesehen hatte, überlegte abzuhauen und entschied, dass ich ihn erwischen oder ihm in den Rücken schießen könnte, wenn er es versuchte. Er warf Lorna einen Blick zu in der Hoffnung, dass sie nur seinen Schweiß und nicht auch sein Blut sehen wollte.
»Setzen Sie sich, Mr. Tandy«, sagte ich. »Hier bekommt man ein sehr gutes Wasser.«
Das Handy in meiner Tasche vibrierte, doch ich ignorierte es.
»Sind Sie wegen einer Tennisstunde hier, Mr. McGill?«
Eine Tür wurde geschlossen, und Shad blickte hastig auf. Lorna war gegangen und hatte uns auf dem Dach ausgeschlossen. Sonst war niemand dort oben.
Als er sich wieder mir zuwandte, durchbohrte ich ihn mit meinem Blick.
»Du hast einen Haufen Schulden«, sagte ich.
»Ich hab das Geld. Ich hab die kompletten zwei-fünf. Er, er, er hat gesagt, ich hätte bis Ende der Woche Zeit. Mr. Meeks hat gesagt, ich hätte bis Freitag.«
Ich starrte ihn unverwandt weiter an.
»Ich hab das Geld nicht bei mir«, sagte er. »Es liegt in einem Safe. Aber ich kann es holen.«
Ich muss so tödlich entschlossen auf den Tennislehrer gewirkt haben, dass er dachte, ich hätte vor, ihn vom Dach zu stoßen.
»Wo ist Angelique Lear?«, fragte ich.
Shads sonnengebräuntes Gesicht wurde blass. Seine Angst wuchs durch die Furcht vor dem Unbekannten.
»Das verstehe ich nicht«, sagte er.
»Angelique. Ich will wissen, wo sie ist.«
»Aber, aber …«
Er sprang von seinem Stuhl auf. Ich war ebenfalls blitzschnell auf den Beinen und verpasste ihm eine rechte Gerade wie aus dem Lehrbuch. Shad fiel, richtete sich auf … und fiel wieder. Es war die Art Schlag, dessen Wirkung einen erst langsam einholt.
Shad lag auf dem Rücken und hielt schützend die Hände vors Gesicht.
»Das verstehe ich nicht«, sagte er. »Das habe ich Grant doch schon erzählt. Daher hab ich auch das Geld, um Meeks zu bezahlen.«
»Mr. Meeks«, erinnerte ich ihn.
Shads Lippen zitterten.
Das Telefon in meiner Tasche vibrierte.
»Was hast du Grant erzählt?«
»Dass, dass, dass Angie vor ein paar Wochen mit mir Schluss gemacht hat … Aber dann hat sie neulich abends angerufen, um sich Geld zu leihen. Sie sagte, sie sei in der Wohnung ihrer Freundin Wanda.«
Es störte mich, dass dieser Feigling Angelique beim selben Kosenamen nannte, für den ich mich entschieden hatte.
»Aufstehen«, sagte ich.
Das tat er.
Ich schlug ihn erneut zu Boden.
»Weißt du, was in Wandas Wohnung passiert ist?«, fragte ich den blutenden jungen Mann.
»Nein. Was denn?«
Ich antwortete mit einem bedrohlichen Schweigen.
»Angie ist in letzter Zeit oft umgezogen«, jammerte Shad, »und Grant hat gesagt, sie müsse sich wegen eines Stipendiums melden, für das sie sich beworben hatte. Daran konnte ich nichts Verkehrtes finden.«
»Hast du sie angerufen, um ihr zu sagen, dass er kommt?«
»Er hat gesagt, dass es eine Überraschung sein sollte.«
»Aufstehen.«
»Nein.«
»Wo ist dieser Grant?«
Shad versuchte, rücklings davonzukriechen, und sah dabei aus wie der Wurm, der er war.
»Ich kann mich auch hinknien, um dich zu schlagen, Junge.«
»Er ist hierhergekommen. Hat für eine Stunde bezahlt, genau wie Sie, nur dass er die richtige Kleidung trug. Nach der Stunde hat er mich auf einen Drink eingeladen und mich nach Angie gefragt.«
»Kam dir das nicht verdächtig vor?«
»Ich brauchte das Geld. Er sagte, es ginge um ein Stipendium. Das war nicht ungewöhnlich. Angie hat ständig irgendwelche Förderungen und Stipendien gekriegt. So viel Glück hat sonst kein Mensch, den ich kenne.«
»Wie sah er aus?«
»Ein Weißer mit Glatze, ungefähr vierzig.«
»Wie hieß er mit Vornamen?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht war Grant auch sein Vorname.«
Ich hätte ihm mit einem wohl platzierten Tritt den Kiefer brechen können. Lust gehabt hätte ich.
»Hast du seit gestern Abend irgendwas von Angelique gehört?«
»Nein. Nein.«
»Wenn du von ihr hörst«, sagte ich, »und es jemandem erzählst – irgendjemandem –, komme ich wieder und schmeiß dich vom Dach. Hast du mich verstanden?«
Shad nickte und schniefte Blut zurück in seine Nasenlöcher.
18
Lorna wartete auf der anderen Seite der Tür.
»Muss ich einen Krankenwagen rufen?«, fragte das
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