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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Geld nicht ran und wolle die Zukunft ihres Sohnes nicht durch den Verkauf ihres einzigen Besitzes – ihres Hauses – gefährden. Ron, der ein guter Mensch war, verstand das und machte einen Deal mit dem Bundesstaatsanwalt, bei dem er eine achtjährige Haftstrafe ohne Chance auf Bewährung akzeptierte.
    Zu dem Zeitpunkt war ich bereits aus dem Spiel und erfuhr erst später, was geschehen war.
    Bob wurde von Wing Lee als Geschäftsführer der aufgekauften Firma angestellt und durfte seine Aktienminderheit behalten. Irma ließ sich von Ron scheiden und heiratete Bob. Drei Jahre später starb Bob an einem Herzinfarkt, und Irma heiratete erneut. Ihr dritter Mann veruntreute Geld aus der florierenden neuen Platinen-Fabrik und brannte nach Brasilien durch.
    In der Zwischenzeit war Ron von einem System gebrochen worden, das mehr abgehärtete Verbrecher entließ, als es aufnahm. Der einst ehrliche Geschäftsmann war dem Willen eines Dutzend Lebenslänglicher wehrlos ausgeliefert.
    Nachdem ich die Irrtümer meines Lebens eingesehen hatte, begann ich, mich über meine unschuldigen Opfer auf dem Laufenden zu halten. Ich hatte schon mehr als zehntausend Dollar dafür ausgegeben, dass Ron nicht zurück ins Gefängnis musste.
     
    »Was hat er jetzt wieder angestellt?«, fragte ich meinen Anwalt und nippte an meinem lauwarmen Tee.
    Meine Kopfschmerzen liefen im Hintergrund wie ein Orchester-Zwischenspiel von Wagner.
    »Ich kenne noch nicht alle Einzelheiten. Ich war beschäftigt und habe einen meiner Partner geschickt, um die Kaution zu stellen. Aber man hat ihn offenbar am Steuer eines Wagens erwischt – mit einer kleinen Menge Drogen in der Tasche und einer fetten Ladung Waffen im Kofferraum.«
    »Wer würde Sharkey denn so etwas anvertrauen?«
    »Er sagt, der Wagen hätte am Straßenrand geparkt, der Schlüssel hätte gesteckt. Er wollte nur seine Freundin abholen und nach Cape Cod fahren, weil sie früher dort gewohnt hat.«
    »Hatte der Wagen eine Zulassung?«
    »Nein. Nichts. Festgenommen wurde er von der New Yorker Polizei, aber du kannst darauf wetten, dass das FBI schon bald die Fährte aufnimmt. Wenn die Sache vor Gericht geht, wird es sich ewig hinziehen. Es kostet dich hunderttausend, und er geht trotzdem ins Gefängnis.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Bei seiner Freundin in der Avenue C .«
    Nachdem ich die Adresse notiert hatte, blieb ich aufmeinem Platz sitzen und fragte mich, ob je eine Zeit kommen sollte, in der das Leben leichter werden würde und ich mich entspannen konnte.

19
    Es war erst zwischen fünf und sechs, doch der Abend unter dem Diktat der Zeitumstellung bereits angebrochen. Ich wollte auf keinen Fall nach Hause gehen. Also war eine U -Bahn-Fahrt zur East Side angesagt.
    Ich hatte Ron Sharkey nie persönlich kennen gelernt oder auch nur gesehen. Ich kannte ihn von einem Foto und seinen Vorlieben, seinen Entscheidungen und seinen Fehlern. Ron Sharkey war ein Teil von mir, der Mensch, den ich retten musste, damit ich morgens in den Spiegel gucken konnte. Er war nicht der Einzige, aber er war auf jeden Fall eins der Räder, die am lautesten quietschten.
     
    Wilma Spyres lebte in der obersten Etage eines achtstöckigen, ohne erkennbaren Grund türkis gestrichenen Backsteingebäudes. Die Klingel war kaputt, genau wie das Schloss der Haustür.
    Einige Wohnungstüren standen offen. Plärrende Fernseher, Essensgerüche und Stimmen drangen auf mich ein, als ich zum Fahrstuhl ging. Der war ebenfalls kaputt, also nahm ich die Treppe. Auf dem Absatz des vierten Stocks stolperte ich über ein junges Paar, das sich gegenseitig wahrscheinlich irgendein Opiat spritzte. Sie war schmutzig blond und vermutlich weiß, während seine Haut einen südamerikanischen Teint hatte. Sie musterten mich, unsicher, ob ich als Bedrohung oder als Opfer zu betrachten war, und entschieden dann, mich zu ignorieren.
    Wilmas Wohnungstür war schmutzig weiß, die dicke Schicht Farbe rissig. Ich stellte mir vor, dass der Hausmeister sie einfach jedes Mal überstrich, wenn sie verdreckt war.
    »Wer ist da?«, fragte eine Frau auf mein Klopfen.
    »John Tooms. Breland Lewis schickt mich.«
    »Wer?«
    Ich wiederholte meine Worte.
    »Wer ist da?«
    Ich kam mir vor wie in einem Sketch von Cheech und Chong.
    »Ich bin hier, um mit Ron Sharkey zu sprechen. Ich komme im Auftrag seines Anwalts. Mein Name ist John Tooms.«
    Gedämpfte Stimmen drangen auf den Flur. Die Kochgerüche aus den unteren Etagen stiegen auf. Vier verschiedene Arten von Musik

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