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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Verantwortung ziehen.«
    Sie glaubte meinen Händen.
    Sharon klappte die Akte auf, die sie gezogen hatte, als Larry Spender angerufen hatte, und blätterte sie langsam durch. Beim Lesen schlich sich ein Runzeln auf ihre Stirn.
    »Hmm.«
    »Was?«, fragte ich.
    »Das ist sehr ungewöhnlich.«
    »Was denn?«
    Sharon sah mich an.
    »Ich habe Mrs. Lears Akte nie bearbeitet«, sagte sie. »Das ist, ähm, seltsam.«
    »Inwiefern?«
    »Sie hat nicht das übliche Bewerbungsverfahren durchlaufen. Die Geschäftsführung hat einfach eine Anweisung erteilt, sie einzustellen. Und, und erst vor ein paar Tagen wurde eine Notiz angeheftet, dass sie ihre Position ungeachtet ihres Fehlens behalten soll. So etwas habe ich ehrlich gesagt noch nie gesehen.«
    »Ist die Notiz unterschrieben?«
    »Nein. Aber sie trägt das Siegel der Geschäftsleitung. Niemand, nicht einmal der Vorstandsvorsitzende, kann das zurücknehmen.«
    »Verdammt«, sagte ich. »Gibt es sonst noch Merkwürdigkeiten?«
    »Nein. Sie ist regelmäßig zur Arbeit erschienen, und es gibt keine Berichte über Fehlverhalten. Alles in allem ist sie bis auf ihr Fehlen in den letzten zwei Wochen eine Musterangestellte.«
    »Verstehe. Nun … vielen Dank, Miss Weiss. Sie haben mir sehr geholfen. Und machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde diese Informationen nicht an Angies Mutter weitergeben. Ich sage ihr bloß, dass Mrs. Lear meines Wissens nicht gefeuert wurde.«
    »Danke.«
    Wir standen beide auf, und sie kam um die blaue Platte herum, als ich die Glastür öffnete. Ich streckte eine Hand aus, die sie mit beiden Händen ergriff.
    »Sie haben sehr kräftige Hände, Mr. Tooms.«
    »Haben Sie eine Visitenkarte?«, fragte ich. »Vielleicht möchte ich Sie noch mal anrufen.«

24
    Es war ein kühler, klarer Tag, kurz vor Mittag, doch ich wusste, dass die Sonne in weniger als fünf Stunden wieder untergehen würde. Als Nächstes stand Angeliques Wohnung auf dem Programm. Aber ich musste zunächst ins Büro, um mich für diese Etappe der Ermittlung zu präparieren.
    Erst als ich Aura und ihren Liebhaber nicht auf der Straße knutschen sah, merkte ich, wie nervös ich war, das Tesla Building zu betreten. Mein Büro ist der Mittelpunkt meines Lebens. Der 72. Stock des Art-déco-Gebäudes ist der eine Ort, an dem ich mich sicher fühle und beinahe glücklich sein kann. Schlimm genug, dass Aura die Liebe aus meinem Leben genommen hatte, aber jetzt …
     
    Lediglich das oberste Schloss der Eingangstür war eingerastet. Das konnte nur bedeuten, dass Aura auf mich wartete. Sie wollte reden, und ich wollte es auch.
    Angespannt stieß ich die Tür auf, und meine Aufregung verpuffte augenblicklich. Ich hatte Mardi vergessen, meine neue Empfangssekretärin. Sie stand auf, als ich in das Vorzimmer platzte. Sie trug ein roséfarbenes Kleid, das für ein Mädchen ihres Alters passender wirkte.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    »Nichts«, sagte ich. »Wieso?«
    Ich entstamme einer langen Linie von Sklaven, Bürgern zweiter Klasse, Revolutionären, Waisen und Gaunern. All das vereint im Herzen eines Mannes, und normale Vorsicht erscheint wie heitere Ausgelassenheit. Mein Gesicht gibt nur selten preis, was ich fühle.
    »Ich dachte bloß«, sagte Mardi. »Nichts.«
    »Schickes Kleid«, sagte ich, um unsere beidseitige Verlegenheit zu überspielen.
    »Danke. Ich hab es mir gestern gekauft, nachdem ich gesehen habe, dass Sie Mrs. Alexanders Kleid zu altmodisch finden.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber ich hab es trotzdem gemerkt«, sagte sie. »Ich bin ziemlich gut darin zu spüren, was die Leute empfinden. Manchmal nimmt Twill mich mit, wenn er wissen möchte, ob jemand ihn anlügt.«
    »Hast du in den letzten vierundzwanzig Stunden irgendwas von ihm gehört?«
    »Er hat gestern Abend angerufen, um zu fragen, wie es mit dem Job läuft.«
    »Wie klang er?«
    Man konnte Mardis Lächeln nur wissend nennen. »Twill ist einer der wenigen Menschen, die ich nicht besonders gut lesen kann«, sagte sie. »Er ist immer gleich, egal was ist.«
    »Und wie war dein Tag gestern?«
    »Wirklich gut. Ein Detective Kitteridge hat angerufen. Er war sehr nett, er hat gesagt, er müsse mit Ihnen sprechen. Ich hab all Ihre Akten und Telefonnummern sortiert und angefangen, Ihre Notizen durchzugehen. Ich denke noch darüber nach, wie man sie am besten in den Akten ablegen kann.«
    »Das ist großartig. Ich glaube, du bist ein echter Gewinn für mich, Mardi. Wir sollten eine Lohnbuchhaltungsfirma beauftragen. Du

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