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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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und über den Atlantik gekommen waren, um sich in dem Schmelztiegel, den nur sehr wenige ihre Heimat nennen, eine Existenz aufzubauen.
    »Können wir in Ihr Büro gehen?«, schlug ich vor.
    »Selbstverständlich.«

23
    Laughton and Price war immerhin so modern, dass es keine kleinteiligen Arbeitszellen mehr gab. Der Großteil der Belegschaft saß vielmehr an ein paar Dutzend Schreibtischen in einem sehr großen Raum. Die Decke war niedrig, aber es gab auf drei Seiten Fenster und genug Platz zwischen den Tischen, um sich zurücklehnen zu können, ohne einen Kollegen anzustoßen.
    Die meisten Angestellten waren jung und sehr engagiert mit ihren Dokumenten, Telefonaten, Computermonitoren und Zeichenbrettern beschäftigt.
    Larry Spender führte mich durch diese moderne Ausbeutungsklitsche für Anzugträger zu dem Eckbüro, auf dessen Tür sein Name prangte.
     
    »Setzen Sie sich«, sagte er, nachdem er die Tür hinter uns geschlossen hatte.
    Vor dem Schreibtisch stand ein bequemer Stuhl aus braunem Leder und Chrom, dahinter befand sich ein großes Fenster mit Blick auf die Lexington Avenue. Selbst an einem klaren Morgen wie diesem trug das Novemberlicht Dunkelheit in seinem Schoß.
    »Und was wissen Sie über Angelique?«, fragte er.
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich Informationen habe, Mr. Spender. Ich bin auf der Suche nach ihr oder zumindest einem Hinweis, wie ich sie finden kann.«
    Diese Worte drückten Spender zurück in seinen Drehstuhl und dellten sein Gesicht zu einer Miene natürlichen Argwohns ein. »Wer schickt Sie?«, fragte er.
    »Lizette Lear, Angeliques Mutter, hat mich engagiert. Lizette ist finanziell und emotional von der Unterstützung ihrer Tochter abhängig und mit ihrer Weisheit am Ende.« Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine korrekte Diktion lindernd auf den Argwohn der akademischen Klasse wirkt, weil es sie an ihren Lieblingsprofessor erinnert oder so.
    »Ihre Mutter hat Sie engagiert?«
    Ich nickte lächelnd.
    »Aber, aber, aber Angie sagt, dass ihre Mutter nicht, ähm, besonders freundlich zu ihr ist.«
    »Das mag sein«, sagte ich. »Mein Vater war ein gewerkschaftstreuer Sozialist, der Banken gehasst hat wie ein guter Katholik den Teufel. Aber Sie können mir glauben, er hätte unsere kleine Wohnung ohne Warmwasseranschluss auseinandergenommen, wenn er je sein Sparbuch verlegt hätte.«
    Ich finde es überdies hilfreich, von Zeit zu Zeit ein Stück Wahrheit einzuflechten. Man hat dann so ein spezielles Timbre in der Stimme. In Kombination mit den Lügen hilft es, das Gespräch zu ölen.
    »Ich, ich kann mir schon vorstellen, dass Ihre Mutter vielleicht jemanden um Hilfe gebeten haben könnte«, sagte Larry. »Angie ist ein wundervoller Mensch.«
    »Das sagt offenbar jeder«, stimmte ich ihm zu. »Alle, mit denen ich gesprochen habe, einschließlich ihrer Mutter, haben davon geschwärmt, wie vollkommen sie ist.«
    »Mit wem haben Sie denn gesprochen?«
    »Mit Lizette natürlich und mit Shad Tandy, ihrem Verlobten …«
    »Nein«, widersprach Larry. »Sie sind nicht verlobt. Ich glaube vielmehr, dass sie sich vor etwa einem Monat getrennt haben.«
    »Nein? Aber er hat gesagt …«
    »Er lügt. Dieser Versager hat Angie nur benutzt.«
    Versager?
    »Sie klingen, als wären Sie für Angelique mehr als nur ihr Chef«, deutete ich an.
    Er zupfte eine imaginäre Fluse von seinem Schreibtisch.
    »Angelique ist ein sehr natürlicher Mensch, Mr. Tooms. Ich leite dieses Büro und beaufsichtige alle, die dort draußen sitzen. Die meisten wollen irgendwas von mir und reden gleichzeitig hinter meinem Rücken über mich. Sie tratschen heimlich übereinander und betrügen die Firma auf hundert verschiedene Arten. Man kann ihnen nicht trauen, jedenfalls den meisten nicht. Aber Angie ist einfach, einfach anders. Sie sitzt immer eine halbe Stunde zu früh an ihrem Schreibtisch und hat über nichts und niemanden etwas Schlechtes zu sagen – Punkt. Ich mag sie sehr gern. Sie, sie … bei ihr hat man nicht das Gefühl, dass sie einen benutzt, damit man etwas für sie tut, und dann ertappt man sich dabei, dass man ihr von sich aus helfen will.«
    »Ich habe auch mit Wanda Soa gesprochen«, sagte ich, weil ich es für wenig ertragreich hielt, die Schwärmerei des Mittvierzigers zu kommentieren.
    »Mit wem?«
    Der Mord hatte es bisher nicht auf die Titelseiten der New Yorker Zeitungen geschafft, wofür meiner Überzeugung nach zumindest teilweise die Bullen verantwortlich waren.
    »Eine Freundin. Haben Sie

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