Falscher Ort, falsche Zeit
etwas von Angelique gehört?«
Er schüttelte den Kopf und saugte an seiner Unterlippe.
»Fällt Ihnen eine Möglichkeit ein, wie man sie vielleicht erreichen kann?«, fragte ich.
Wieder das traurige Kopfschütteln.
»Hatte sie unter den Kollegen und Kolleginnen vielleicht Freunde, die es wissen könnten?«
»In dieser Abteilung bin ich ihr engster Freund. Angie hat einen Abschluss in Betriebswirtschaft, möchte jedoch gern kreativer arbeiten, wissen Sie. Wir haben zusammen an einer Kampagne für die Markteinführung einer indischen Teefirma gearbeitet. Wir haben die Inder überredet, eine Abfüllfabrik im Nordosten zu gründen, damit die Marke amerikanischer wirkt.«
»Haben diese Leute Kontakt zu Angelique?«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, Mr. Tooms«, erklärte Spender mir. »Angie liegt mir wirklich am Herzen. Doch sie ist seit zwei Wochen nicht zur Arbeit erschienen. Sie geht nicht ans Telefon. Sie hat nicht angerufen.«
In einem perfekten Ausdruck seiner Hilflosigkeit hob er die Hände bis auf Schulterhöhe.
»Vielleicht könnten Sie etwas für mich tun«, sagte ich.
»Was denn?«
»Haben Sie eine Personalabteilung?«
»Ja. Selbstverständlich.«
»Stellen Sie mich einem der dortigen Mitarbeiter vor. Sie können sagen, dass ich Angeliques Mutter vertrete.«
Wahrheit ist eine Verabredung zwischen zwei oder mehr Menschen über irgendwas: Die Erde ist eine Scheibe, alle Araber sind Terroristen, die Zukunft wird durch die Vergangenheit vorherbestimmt. Es ist wahr, wenn wir uns darauf einigen, dass es wahr ist.
Ich war John Tooms, der Angelique Tara Lears Mutter Lizette vertrat. Das war eine Tatsache, die sowohl Larry Spender als auch ich der stellvertretenden Leiterin der Personalabteilung Miss Sharon Weiss vortrugen.
In der Personalabteilung, die in bescheidenen Räumlichkeiten im neunten Stock untergebracht war, gab es richtige Büros für die sechs dort tätigen Mitarbeiter. Die Büros waren klein, die Wände aus dunkelgelbem Glas, doch man konnte die Privatgespräche nicht mithören.
Miss Weiss’ Schreibtisch bestand aus einer blauen Kunststoffplatte, die von einem im Boden verankerten schwarzen Ständer getragen wurde. Miss Weiss war blond, wenn auch nicht von Natur aus, und auf eine Art üppig, mit der Hugh Hefner Millionen verdient hat. Ihr in ein fellartiges braunes Kaschmirkleid gehüllter Körper sah aus wie Ende zwanzig, doch ihr Gesicht war beinahe vierzig.
Sharons Miene sagte mir, dass Larrys und meine Bekräftigung der Wahrheit sie noch nicht vollends überzeugt hatten. Der Büroleiter war mittlerweile wieder auf sein Stockwerk voller echter und garantiert auch eingebildeter Intriganten zurückgekehrt.
»Sie kommen im Auftrag von Mrs. Lear, sagen Sie?«, fragte Miss Weiss. Ich beugte mich auf dem Besucher- und Büßerstuhl vor, stützte meine Ellbogen auf das blaue Plastik und verschränkte die Finger. Als MissWeiss meine Hände sah, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Ich habe sehr große Hände, Arbeiterhände, Preisboxerhände, veritable Baseballhandschuhe. Ein bestimmter Typus von Frauen, die als Töchter von Vätern aus der Arbeiterklasse aufgewachsen sind, ist sehr beeindruckt von Händen wie meinen. Es ist eine metasexuelle Reaktion, bei der es nicht um Liebe oder auch nur um Berührung geht.
Während Sharon sich mühte, ihre Nüstern unter Kontrolle zu bekommen, zückte ich mit einer dieser Hände meine Brieftasche und zog eine Karte heraus, auf der stand: JOHN TOOMS – PERSÖNLICHE ERMITTLUNGEN .
»Nicht Privatdetektiv?«, fragte sie, nachdem sie die Lüge gelesen hatte.
»Ich mache hauptsächlich Familiensachen«, sagte ich. »Vermisste Kinder, streunende Ehefrauen. Und ich benutze nie eine Kamera oder ein Aufnahmegerät.«
Sharon Weiss stützte ihre Ellbogen ebenfalls auf den Tisch und fragte: »Was kann ich für Sie tun, Mr. Tooms?«
»Angie Lear ist verschwunden«, sagte ich. »Ihre Mutter ist eine kranke Frau, die vollkommen auf ihre Tochter angewiesen ist. Sie macht sich aus den verschiedensten Gründen große Sorgen. Auf der Suche nach ihr bin ich hierhergekommen, auch um herauszufinden, ob Angie gekündigt wurde.«
»Ich darf keine persönlichen Informationen herausgeben«, erklärte mir Sharon. Ihre braunen Augen leuchteten ziemlich gelb. Ich fragte mich, ob das der Widerschein meines Anzugs war.
»Ich sag es auch keinem«, säuselte ich. »Und solangeSie mir keine spezifischen Informationen geben, wird Sie auch nie irgendjemand zur
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