Falscher Ort, falsche Zeit
schätze ich.«
Ich lachte, anstatt auszurasten, und dann wechselten wir das Thema und redeten über De La Hoya und Pacquiao.
»Oscar sollte die verdammten Boxhandschuhe an den Nagel hängen«, sagte Gordo.
»Warum?«, fragte ich.
»Weil irgendwann die Zeit kommt, wo man einfach nicht mehr gewinnt.«
»Aber es gibt immer eine Chance auf ein Comeback«, sagte ich mit Nachdruck.
Gordo dachte eine Weile über meine Worte nach und sagte dann: »Recht hast du.«
»Er bekommt Bestrahlungen und Chemotherapie«, erklärte mir die leitende Stationsschwester. »Er wird sehr geschwächt sein, wahrscheinlich müssen wir ihn in ein Pflegeheim verlegen.«
»Nein«, sagte ich.
»Nein?«
»Gordo ist mein Stiefvater. Wenn Sie ihn entlassen, werden meine Frau und ich ihn aufnehmen.«
Die Frau, ihr Name war Naomi Watkins, gab mir die Papiere, die ich unterzeichnen und gegenzeichnen lassen musste. Ich gab ihr meine Karte und sorgte dafür, dass mein Name als Erster auf die Liste der nächsten Verwandten gesetzt wurde.
Zu Hause erzählte ich Katrina von meiner Entscheidung. Vielleicht hätte ich sie vorher fragen sollen. Vielleicht hätte ich das auch getan, wenn sie nicht für fast ein Jahr mit einem Banker durchgebrannt wäre.
»Es ist so, wie es ist«, überraschte sie mich mit Gelassenheit. »Aber vielleicht müssen wir eine Krankenschwester engagieren, die sich um ihn kümmert, wenn wir beide nicht im Haus sind.«
Bevor sie ins Bett ging, sagte Katrina noch: »Dimitri hat angerufen.«
»Was hat er gesagt?«
»Dass er sich verliebt hat und mit seinem Mädchen abgehauen ist. Sie sind in Montreal. Ich wollte wütend auf ihn sein, aber ich war einfach so froh, seine Stimme zu hören.«
»Hat er gesagt, wann er nach Hause kommt?«
»In ein paar Tagen.«
»Siehst du?«, sagte ich. »Ich hab dir doch gesagt, dass alles gut wird.«
Wenigstens einer von uns sollte an glückliche Fügungen glauben.
40
Ich verbrachte den späteren Abend damit, mein Zimmer so umzuräumen, dass wir Gordo aufnehmen konnten. Ich holte frische Bettwäsche für ihn, legte meine Waffen in den Safe, räumte den Schreibtisch auf und staubsaugte sogar.
Danach schaltete ich meinen Laptop ein und ging online.
Die Herren der Spam-Mail sind die besten Detektive der Welt. Sie finden einen, wo immer man ist, so wie Wasser seine Ebene sucht, wie bluthungrige Moskitos in der Wildnis. Ich hatte sechzehn unerwünschte Angebote für legale und illegale Dienste im Postfach, von Absendern aus Nairobi bis Lima, Hongkong bis West Hollywood. Ich glaube nicht, dass moderne Ökonomen das im Sinn hatten, als sie ihre Idee von »Globalisierung« entwickelt haben.
Bug schien die Sache mit Zephyra ernst zu meinen, denn er hatte mir eine lange Datei mit allen möglichen mir bisher unbekannten Einzelheiten über Angie geschickt. Sie hatte an mehreren Läufen über zehn Kilometer und mehr teilgenommen und während der Vorwahlen für die Hillary-Kampagne gearbeitet. Sie spielte im Internet Go, und zwar ziemlich gut, ein Club in Kalifornien hatte ihr fünf Sterne verliehen.
Es gab noch jede Menge anderer zusammenhangloser Details und eine hervorstechende Information: John Prince’ Telefonnummer und Adresse. Er lebte in Chelsea zwischen der 6 th und der 7 th Avenue. Es gab sogar ein Foto des attraktiven jungen Mannes. Das war der Freund an ihrer Schlafzimmerwand, nahm ich an.
Es war kurz nach drei Uhr morgens, für einen Mann in der Privatermittlungsbranche Zeit, an die Arbeit zu gehen. Aber ich war müde und erschöpft von der Unzahl an Details, die auf mich einprasselten wie die wütenden Schläge eines Fliegengewichtlers, der einen Punchingball bearbeitete.
Ich setzte mich auf das Schlafsofa. Als ich aufwachte, fand ich mich auf dem Rücken liegend wieder und bestaunte das Wunder der aufgehenden Sonne vor meinem Fenster.
Ich hoffte, dass Angie nicht in dieser Nacht gestorben war, während ich meine Zeit mit Schlafen vergeudet hatte. Ich wünschte, ich hätte eine Nummer, unter der ich Dimitri erreichen konnte, und eine Antwort für Ron Sharkey.
Aber ich hatte nur Kopfschmerzen, die durch mein Bewusstsein pochten.
Ich zwang mich zu einer Schale mit Müsli und zwei Tassen französischem Röstkaffee aus der Cafétiere, bevor ich mich auf den Weg machte und hoffte, dass der heutige Tag den Durchbruch bringen würde, den ich brauchte, um die Welt einzuholen.
Ich rief John Prince um 8.32 Uhr aus meinem Büro an.
Hallo, hier spricht JP . Ich bin im Moment
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