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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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nicht da, aber wenn Sie eine Nachricht hinterlassen möchten, rufe ich Sie so bald wie möglich zurück.
    Ich legte auf und merkte, dass ich den ganzen Morgennoch nicht an Aura gedacht hatte. Dieser Beweis meiner Genesung beruhigte mich nicht. Ich wollte nicht von der einzigen wahren Liebe geheilt werden, die ich als erwachsener Mann erleben durfte.
    »Mr. McGill?«, ertönte Mardis leise Stimme über die Gegensprechanlage. Sie war heute früher gekommen.
    »Ja?«
    »George Toller ist hier.«
    Wusste er irgendwie, dass ich an seine Geliebte gedacht hatte?
    »Schick ihn rein.«
     
    Diesmal betrat er mein Büro, ohne anzuklopfen. Er trug einen scheußlichen hellgrünen Anzug mit einer Kreuzschraffierung aus reichlich dunkelgrünen und schwarzen Fäden. In den Armen trug er drei dicke Aktenmappen. Seine ganze Pose hatte etwas Dramatisches, als wäre er der Verkünder böser Omen. Er stellte sich vor meinen Schreibtisch und ließ den Papierberg krachend auf die Platte fallen.
    Er suchte meinen Blick, und ein höhnisches Lächeln kräuselte die Lippen, die ich hasste.
    »Speisekarten vom Pizza-Taxi?«, fragte ich.
    »Haben Sie einen Moment?«, erwiderte er und setzte sich ungebeten.
    Die Frage war weder höflich noch rücksichtsvoll gemeint, sie war nicht einmal präzise. George Toller glaubte, er hätte mich erwischt wie ein zwinkernder Ire einen Leprechaun, und der »Moment« sollte den Rest meines natürlichen Lebens dauern.
    Ich antwortete nicht, also drängte er weiter.
    »Terry Swain«, sagte er.
    Ich blinzelte unschuldig.
    »Wollen Sie mir erzählen, Sie kennen Swain nicht?«
    »Das ist Ihre Show, Mr. Toller. Ich erzähle Ihnen gar nichts.«
    »Sie haben die Konzession für seinen Hotdog-Stand mit unterschrieben, oder nicht?«
    Ich zuckte teilnahmslos mit den Schultern, um einen Hauch guter Manieren zu wahren.
    »Mr. Swain war der Gebäudeverwalter vor Aura Ullman. Die neuen Eigentümer hatten ihn im Verdacht, die Firma betrogen zu haben. Sie trugen belastendes Material für eine Anklage zusammen, bis ein Anwalt namens Breland Lewis das Verfahren zum Stillstand brachte, indem er den Verdacht auf einen ehemaligen Angestellten lenkte, der bequemerweise verstorben war.«
    »Peter Cooly«, sagte ich. »Er starb Monate, bevor ich zum ersten Mal auch nur von Terry gehört habe.«
    »Breland Lewis ist Ihr Anwalt.«
    »Das ist Amerika, Mr. Toller. Breland ist ein freier Mensch, genau wie ich.«
    »Die Beziehung zwischen dem Anwalt, dem Betrüger und Ihnen«, sagte er, »zusammen mit dem lächerlichen Mietvertrag über fünfzehn Jahre, den Sie sich gesichert haben, sind mindestens ein Beweis für einen Betrug.«
    Irgendetwas an Tollers Tonfall erinnerte mich an die Angeberei von Teenagern in den Mittelschulen, die ich in meiner so genannten Jugend gelegentlich besucht hatte. Er spielte eine Rolle, ohne sie zu kennen, er tat so, als wäre er in irgendeiner Weise verletzt worden durch Dinge, die geschehen waren, als er noch gar nichts mitder Sache zu tun hatte. Er redete, und ich hörte ihn, aber ich hörte ihm nicht zu – jedenfalls nicht besonders aufmerksam.
    »… wurden Sie 1989 wegen Manipulation von polizeilichem Beweismaterial festgenommen …«, sagte er.
    Ich dachte, dass ich den nächsten Schritt machen musste, um herauszufinden, warum der Mörder in Soas Wohnung gewesen war.
    »… 1992 wurden Sie in einer Ermittlung gegen das organisierte Verbrechen zusammen mit mehreren Mitgliedern der Familie Gonzales festgenommen …«
    Ich dachte an Dimitri, den grüblerischen, stämmigen jungen Mann, der irgendein schönes russisches Mädchen küsste und sein Herz mit Liebe füllte. Ich dachte auch, dass die Liebe offenbar nie andauert – außer es ist Blut im Spiel.
    »… 1996 wurden Sie wegen Körperverletzung festgenommen …«
    Nachdem sich Liebe und Blut in meinen Gedanken verbunden hatten, fielen mir die Wildblumen auf der alten Musiktruhe wieder ein. Etwas an ihrer zarten Schönheit wirkte fehl am Platz in meinem Leben.
    Eine Blase von etwas wie Reue stieg in meiner Brust auf.
    Toller rezitierte wütend eine neue Litanei.
    Ich blickte auf und sah, dass er von einem Zettel mit meinen gesammelten Missetaten ablas.
    »Und was sagt Ihnen der ganze Scheiß, Mr. Toller?«, unterbrach ich seine Rede.
    »Verzeihung?«
    Ich stand auf.
    »Was sagt Ihnen der ganze Scheiß in Ihren Akten?«
    »Ich möchte Sie bitten, in einem zivilisierten Ton mit mir zu sprechen, Mr. McGill.«
    »Also gut«, sagte ich. »Wie ist es hiermit:

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