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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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In genau zehn Sekunden komme ich auf Ihre Seite des Schreibtischs. Wenn Sie dann noch im Zimmer sind, schlage ich Sie mit Ihren eigenen beschissenen Akten tot. Eins …«
    Toller sprang auf, schnappte seine Unterlagen und hastete hinaus.
    Ich zählte bis zehn und ging ihm nach.
    Im Flur lagen ein paar lose Blätter, die er verloren hatte.
    Als ich in mein Vorzimmer kam, saß Mardi an ihrem Schreibtisch. Sie trug ein champagnerfarbenes Kleid mit Puffärmeln.
    »Mr. Toller ist gegangen«, sagte sie.
    Blinzelnd fragte ich mich, ob ich tatsächlich so knapp davorgestanden hatte, einen Mord zu begehen. Ja, entschied ich und überlegte, ob ich vielleicht professionelle Hilfe brauchte. Also kehrte ich in mein Büro zurück und rief den tödlichsten Mann an, den ich je gekannt habe.

41
    Hush mag seine Steaks roh bis blutig, also reservierte ich einen Tisch in einem Steakhaus in dem Edeleinkaufszentrum am Columbus Circle. Die junge Kellnerin führte mich zu einer dunklen Nische in dem luftigen Lokal. Der Exkiller war schon da und hockte gedankenverloren vor einem Glas Leitungswasser ohne Eis.
    » LT «, begrüßte er mich.
    Ich nahm gegenüber dem besten Berufskiller der Geschichte New Yorks Platz. Er war ein schlicht aussehender Mann von durchschnittlicher Statur und Größe mit mittelbraunem Haar und dunkelbraunen Augen. Er hinterließ kaum einen Eindruck, von seiner tiefen Stimme einmal abgesehen, was ihm allerdings auch keinen Ruf einbrachte, weil er nur selten sprach.
    Mir war Hushs Gegenwart immer ein wenig unbehaglich – vielleicht auch mehr als ein wenig. Er kannte tausend Arten, einen Menschen zu töten, und Dutzende, seine Leiche verschwinden zu lassen. Er war der klassische kaltblütige Mörder, der scheinbar weder Herz noch Gewissen hatte.
    Neben seiner Frau war ich der Einzige, der sowohl seinen richtigen Namen als auch seinen beruflichen Werdegang kannte.
    »Hush«, sagte ich.
    »Du siehst müde aus, LT .«
    »Jede Menge Arbeit.«
    »Ich hab dir einen Wild Turkey und ein Rib-Eye-Steak bestellt«, sagte er. »Kommt gleich.«
    »Danke, dass du mich so kurzfristig treffen konntest.«
    »Ich hatte heute bloß ein paar einfache Flughafentransfers.«
    Seit er sich aus dem Mordgewerbe zurückgezogen hatte, arbeitete Hush als Chauffeur und bei Bedarf auch Leibwächter für eine Luxusfirma. Ich hätte wirklich nicht sagen können, warum er den Job machte. Das Geld brauchte er nicht.
    Ich schob das gefaxte Foto des Toten über den Tisch. Hush legte seine Hand auf das Gesicht, als eine Frauenstimme sagte: »Wild Turkey ohne Eis.«
    Sie war eine junge Blondine mit einer strengen Frisur, die gut in die konservative Hälfte der Sixties gepasst hätte. Sie war perfekt geschminkt, und man konnte erkennen, dass sie, auch wenn sie ein wenig gewöhnlich aussah, überall Eindruck machte.
    »Danke«, sagte ich.
    Als sie gegangen war, hob Hush seine Hand und betrachtete das Bild, bevor er es mit einem Finger zurück über den Tisch schob.
    »Ich habe gehört, er ist in deinem alten Gewerbe tätig«, sagte ich.
    »Adolph Pressman. Ein Stümper. Okay für eine Kugel in den Rücken, aber ungeeignet für alles, was ein wenig Finesse erfordert. Sieht tot aus.«
    »Jemand hat ihn von der Seite attackiert, als er ein Mädchen tötete.«
    »Schlampig.«
    Wir hingen dem Wort eine Weile nach, während die strenge Blondine erneut an den Tisch kam, um zu fragen, ob das Essen serviert werden könne.
    Als sie wieder weg war, fragte ich: »Und?«
    »Adolph ist, er ist … wie, wie nennt man die Dinger? Wie eine Speiche in einem Rad, und das Rad ist eine Vereinigung von Killern. Nun ja … eigentlich keine Vereinigung, weil keiner den anderen kennt. Wirklich gefährlich ist nur die Nabe – ein Mann namens Patrick.«
    »Patrick und weiter?«
    Hush schüttelte den Kopf und schob die Unterlippe vor.
    »Ich kann dir nur sagen, dass es nichts für schwache Nerven ist, sich an Patricks Fährte zu heften.«
    »Ich habe noch nie in meinem Leben geschwächelt.«
    Hush lächelte und trank einen Schluck Wasser.
    »Tamara will zurück nach New York ziehen«, sagte er.
    Ich hatte alle Informationen, die ich brauchte. Wenn Hush gewusst hätte, wo ich Patrick finden konnte, hätte er es mir gesagt. Ich hätte also gehen können, doch es wäre unfreundlich gewesen, ihn derart zu benutzen. Außerdem hatte ich Hunger.
    Tamara war Hushs Frau. Sie war schwarz, jung und unscheinbar, aber ihr Mut und ihr Elan hätten die Segel eines Dreimasters blähen können. Sie

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