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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Begrüßung war merkwürdig. Wenn ich ihn sonst anrief, war Tiny »Bug« Bateman im günstigsten Fall einsilbig und blieb schlimmstenfalls einfach stumm. Dass er überhaupt für mich arbeitete, verdankte ich seinem Vater, dem ich einmal einen großen Gefallen getan hatte, und die einzige wahre Verbindung, die das junge Computergenie zur Außenwelt pflegte, war über seinen alten Herrn.
    »Es geht um eine Frau«, sagte ich. »Angelique Tara Lear …« Ich nannte ihm ihre Adresse, ihr Geburtsdatum, ihren Arbeitgeber und ihren Werdegang. »Ich hätte gern jede Information, die du ausgraben kannst. Ich bezahl dich dafür. Es ist für einen Kunden, keine Gefälligkeit.«
    »Ich will Ihr Geld nicht, Mr. McGill.«
    »Seit wann denn das?«
    »Ähm …«
    Zögern?
    »Erinnern Sie sich an das Mädchen, das mich in Ihrem Auftrag wegen dieser Einbruchssache letzten Monat angerufen hat?«, fragte er.
    Einer Klientin war Schmuck gestohlen worden, der für sie von besonderem sentimentalem Wert war, weil sie ihn von ihrer Großmutter geerbt hatte. Ich hatte Zephyra Ximenez beauftragt, Tiny anzurufen und ihm zu sagen, was ich brauchte, weil ich selbst mit einem anderen Fall beschäftigt war.
    Zephyra war zwar eine hart arbeitende Frau mit Examen und Businessplan, gleichzeitig aber auch so schön, dass sie in Europa als Model über den Laufsteg hätte spazieren können.
    »Ja?«, sagte ich.
    »Ich fand meine Gespräche mit ihr sehr, ähm, anregend.«
    »Und?«
    »Ich möchte, dass Sie uns persönlich bekannt machen.«
    »Du lebst im Internet«, sagte ich. »Genau wie sie. Du weißt, wie man Kontakt mit jemandem aufnimmt. Was kann ich da noch für dich tun?«
    Bug verstand sich als Teil einer historisch bedingten, infrastrukturellen Bewegung, die er Techno-Anarchismus nannte. Die Mitglieder dieser (in weiten Teilen unbewussten) Bewegung bezeichnete er als monadische Partikel . Ich konnte mir vorstellen, warum der junge braune Mann sich von Zephyras Verstand angezogen fühlte – ebenso wie von dem Rest. Natürlich waren sie sich noch nicht persönlich begegnet, aber ich war mir sicher, dass Bug im Netz ein Foto von ihr gefunden hatte.
    »Ich möchte nur, dass Sie ein gutes Wort für mich einlegen«, sagte das Computergenie.
    »Hör mal, Tiny«, sagte ich, »du lebst in deinem Kokon in einem Keller im West Village. Sie verbringt den größten Teil ihrer Zeit in einem Haus in Queens. Was soll da ein Wort von mir ausrichten?«
    Wenn es ein Oxford-Bilderlexikon gäbe, würde man unter dem Eintrag »Butterball« ein Foto von Bug Bateman abdrucken. Wenn er an einem kühlen Herbstnachmittag einen Block weit zu Fuß ging, geriet er heftig ins Schwitzen. Sogar seine Finger waren feucht und wurstig. Mit neunundzwanzig saß er den ganzen Tag umgeben von Computern auf seinem Stuhl und wahrscheinlich auch die ganze Nacht, jede Nacht.
    »Heißt das, Sie machen es nicht?« Ich vernahm echten Schmerz in seiner Stimme.
    »Nein. Ich sage nur, ich möchte, dass du für einenKlienten von mir arbeitest. Ich bezahle den üblichen Kurs und sehe, was ich bei Zephyra für dich tun kann – ich sage nur, dass man nie weiß, wie eine Frau reagiert.«
    »Aber Sie reden mit ihr?«
    »Klar. Warum nicht?«
    Während Tiny über diese profunde Frage grübelte, kam mir der Verdacht, dass ich ihn soeben auf einen gravierenden Denkfehler in seiner isolationistischen Techno-Philosophie gestoßen hatte.
    »Hm«, sagte er. »Ich besorg Ihnen die Informationen über die Frau.«
    Mein Handy meldete sich mit einem einmaligen Gongschlag. Ich wollte Tiny noch etwas fragen, doch der eingehende Anruf war wichtiger.
    »Ich rede demnächst mit Zephyra. Bis dann.«
    Ich legte auf und ging an mein Handy, als es gerade zur nächsten Runde läutete.
    »Hey, Gordo«, sagte ich. »Ich hab mich schon gefragt, ob du vielleicht in Rente gegangen bist, um in der Karibik zu leben.«
    »Oder zu sterben«, sagte er mit einer Stimme, die angespannt klang und noch krächzender als sonst.

39
    Im Taxi nach Downtown hing ich Erinnerungen an meine Eltern nach: Tolstoy, Gewerkschaftsfunktionär und radikaler Kommunist nach eigenem Willen und Vorstellung, und Lena, das fromme Mädchen aus Harlem, das ihren Mann so sehr liebte, wie es sich ein Jazzballaden-Schreiber nur ausmalen konnte. Er ging kurz nach meinem zwölften Geburtstag, um sich einer kubanischen Brigade anzuschließen, und ließ mich vaterlos und im Grunde auch mutterlos zurück, weil Lena sich ins Bett legte und wenig später starb. Sie

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