Falsches Blut
«
Karen kreuzte die Arme vor der Brust und hob die Brauen. » Ich habe Sie gewarnt, denken Sie immer daran « , sagte sie und warf einen kurzen Blick über die Schulter. » Los. «
Ehe ich wusste, wie mir geschah, spürte ich einen Stich im Nacken. Augenblicke später verschwamm alles um mich herum.
» Sie hätten tun müssen, was Mistress Karen sagt. «
Ich fuhr herum und wollte dem Angreifer ins Gesicht sehen, doch die Muskeln in meinen Beinen waren weich wie Pudding. Ich rutschte aus und versuchte, mich an einem der Tische festzuhalten, wobei ich meine Waffe fallen ließ und etliche Flaschen und Gläser umstieß. Die Scherben gruben sich in meine Handflächen und meine Brust, als ich nach vorn kippte. Mein Körper gehorchte mir nicht länger. Ich versuchte aufzustehen, doch mir war schwindlig, und meine Beine gaben unter mir nach. Schließlich gelang es mir, mich an einem der Stühle hochzuziehen und mich dagegen zu lehnen.
Der Typ, der mir die Nadel ins Genick gerammt hatte, verzog das Gesicht zu einem freudlosen Lächeln. Er war um die zwanzig, ziemlich groß und trug ein schwarzes, eng anliegendes Hemd, das sich um seinen athletischen Oberkörper schmiegte. Mit seinem schwarzen Haar und den tief liegenden Augen erinnerte er mich an die College-Version von Bela Lugosi als Graf Dracula. Ich versuchte, nach ihm zu treten, doch meine Beine bewegten sich wie in Zeitlupe, so dass er mühelos ausweichen konnte. Ich fiel nach vorn und landete auf der Lehne einer Chaiselongue.
» Was haben Sie mit mir gemacht? « Ich tastete nach der Einstichstelle in meinem Nacken und stieß auf eine Beule, die sich anfühlte, als hätte mich eine Biene gestochen.
» Ich habe Ihnen etwas verabreicht, um Sie kooperativer zu machen. «
Meine Brust fühlte sich zentnerschwer an, und ich konnte kaum die Arme heben. Ich schüttelte den Kopf in der Hoffnung, dass er klarer würde, aber es nützte nichts. Ich musste hier raus! Ich sprang auf, schob mich mit aller Kraft an Dracula vorbei und taumelte mit dem Kopf voran gegen die Wand neben der Treppe. Eilig hielt ich mich am Treppengeländer fest. Bevor ich auch nur einen Fuß auf die Stufen setzen konnte, standen Karens Männer bereits neben mir. Hektisch begann ich, wild mit den Armen zu rudern, bis meine Finger gegen etwas Hartes, Metallisches stießen– der Feuermelder. So fest ich nur konnte, schlug ich darauf ein. Augenblicklich gingen die Lichter an, und ein hohes Kreischen übertönte die hämmernden Bässe. Für den Bruchteil einer Sekunde schienen sämtliche Gäste vor Schreck zu erstarren.
Dann begannen sie zu schreien.
Dracula schwang mich mit derselben Mühelosigkeit über die Schulter, wie ich meine kleine Tochter hochgehoben hätte, während die Gäste im Erdgeschoss vollends ausflippten. Es herrschte das blanke Chaos. Alle rannten kreuz und quer umher und rissen sich in ihrer Panik gegenseitig um. Mick sprang auf die Bar und erteilte schreiend Befehle– ob sein Eingreifen jedoch hilfreich oder nicht doch eher hinderlich war, konnte ich nicht mit Gewissheit sagen. Hoffentlich hatte er zumindest meinen Rat beherzigt und die Notausgänge öffnen lassen.
Während sich unter den Gästen im Erdgeschoss zunehmend Panik ausbreitete, wies Karen ihre Gefolgsleute mit mütterlicher Routine an, den Raum zu verlassen. Brav stellten sie sich wie eine Schulklasse in einer Schlange auf und verließen die Galerie im Gänsemarsch. Dracula und ich waren die letzten. Zweimal knallte ich mit dem Kopf gegen das Treppengeländer, was bestimmt Absicht gewesen war. Ich wand mich und versuchte, ihm einen Tritt ins Gesicht zu verpassen. Prompt geriet er ins Taumeln, während ich ein weiteres Mal mit dem Kopf gegen die Wand knallte. Einen Moment lang wurde die Welt rings um mich herum schwarz.
Im Erdgeschoss herrschte inzwischen völliges Chaos. Ich versuchte, um Hilfe zu rufen, doch es kam lediglich wirres Gebrabbel über meine Lippen. Immer wieder wurde mir schwarz vor Augen, und ich spürte, wie das letzte Fünkchen Kraft, das ich noch besessen hatte, aus meinem Körper wich. Einige der etwas nüchterneren Partygäste erkundigten sich, ob mit mir alles in Ordnung sei, aber Karen erklärte ihnen, dass ich eine Rauchvergiftung habe und dass sie mich ins Krankenhaus bringen würden. Wieder versuchte ich, um Hilfe zu rufen, aber mein Gehirn versagte seinen Dienst, so dass es mir nicht gelang, die Worte zu formen.
Als wir endlich ins Freie traten, wechselte ich zwischen klaren Momenten und
Weitere Kostenlose Bücher