Falsches Blut
es Ihnen, Ash? « , fragte sie schließlich.
» Gut « , antwortete ich. » Es sei denn, Sie haben etwas anderes gehört. «
Sie schlug eine Akte auf, dessen Inhalt ich jedoch nicht erkennen konnte.
» Ich habe gerade einen Anruf von Lieutenant Mike Bowers vom Morddezernat erhalten, der meinte, Sie seien heute Nachmittag bei Nathan und Maria Cutting gewesen. «
» Detective Rhodes hatte mich gebeten, bei ihnen vorbeizusehen. Robbie Cutting ist tot. Er war der Hauptverdächtige im Mord an meiner Nichte. «
Susan nickte. » Das habe ich gehört. Wie kommen Sie mit der Situation zurecht? «
» Es geht « , sagte ich. » Danke für Ihre Besorgnis, aber ich komme schon klar. «
» Lieutenant Bowers hat vorgeschlagen, Sie für eine Weile zu beurlauben, und ich finde die Idee gar nicht so schlecht. «
Natürlich wollte Bowers mich aus dem Weg haben– immerhin führte der Kerl irgendetwas im Schilde. Ich sah aus dem Fenster. Die Aussicht war schön. Irgendeinen Vorteil musste ihre Achtzig-Stunden-Woche schließlich haben.
» Natürlich ist es Ihre Entscheidung, aber wie gesagt, mir geht es gut. «
Wieder nickte Susan. » Wenn ich Sie jetzt in dieser Sekunde einem Alkoholtest unterziehen würde, wie würde er ausfallen? « , fragte sie mich dann ganz unvermittelt.
» Ich komme klar, Susan « , beharrte ich. » Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. «
Sie musterte mich, als warte sie darauf, dass ich noch etwas sagte. Dann begriff sie, dass ich das nicht vorhatte.
» Ich ziehe Sie für die restliche Woche vom Dienst ab. Bezahlter Urlaub. Ruhen Sie sich ein bisschen aus. Sie können es brauchen. «
» Sie erteilen mir die Anweisung, Urlaub zu nehmen? « , fragte ich.
» Genau « , bestätigte Susan. » Gehen Sie mit Ihrer Tochter in den Park, führen Sie Ihre Frau zum Abendessen aus. Tun Sie, was man als Ehepaar eben so tut, um sich ein bisschen zu entspannen. Ich will Sie erst am Montag wieder hier sehen. Habe ich mich klar ausgedrückt? «
» Habe ich irgendeine Wahl? « , fragte ich.
» Nein « , gab Susan zurück, die sich bereits wieder der Akte auf ihrem Schreibtisch zugewandt hatte. » Viel Spaß und schönen Urlaub. «
Subtilität gehörte nicht gerade zu ihren Stärken.
Ich verließ das Gebäude und steuerte die nächste Bar an. Doch da ich noch nach Hause fahren wollte, riss ich mich zusammen– nur ein Bier und ein paar Salzbrezeln, um den Restalkohol im Magen aufzusaugen.
Zu Hause ging ich als Erstes unter die Dusche. Bestimmt zwanzig Minuten lang blieb ich unter dem heißen Strahl stehen, während mir die Fälle wieder in den Sinn kamen, die ich eigentlich lieber aus meinen Gedanken verdrängt hätte. Normalerweise half mir der Alkohol zu vergessen, aber manchmal passierte genau das Gegenteil. Auf dieses elende Dreckszeug war manchmal einfach kein Verlass. Danach spülte ich mir den Mund mit Mundwasser aus und ging in den Garten.
Unser Garten war das reinste Paradies, und weil das Haus, in dem wir lebten, aus einer Zeit stammte, als die Grundstücke noch in Hektar anstelle von Quadratmetern bemessen wurden, war unsere Terrasse riesig. Groß genug für Grillpartys, eine Schaukel und zwei uralte Eichen, die angenehmen Schatten spendeten. Ich legte mich in die zwischen zwei Pfosten befestigte Hängematte und schaukelte behutsam in der Nachmittagsbrise. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, war ich auch schon eingeschlafen.
Normalerweise erinnere ich mich so gut wie nie an meine Träume, und der heutige Tag bildete keine Ausnahme. Ich schreckte aus dem Schlaf, schweißüberströmt und mit dem Gefühl, als liege ein Zentnergewicht auf meiner Brust. So etwas passierte immer wieder. Wahrscheinlich hatte ich einen Albtraum gehabt– völlig zu Recht. Ich rollte mich aus der Hängematte und schleppte mich in die Küche, um mir einen Tee zu machen.
Hannah und Megan kamen nach Hause, als er gerade zog. Gemeinsam verrichteten wir das Dämmerungsgebet. Megan war noch zu klein für die obligatorische Teilnahme an unseren fünf Tagesgebeten, schloss sich uns jedoch meist freiwillig an. Bei ihrer Geburt hatten Hannah und ich uns darauf geeinigt, dass Megan eines Tages selbst entscheiden sollte, welcher Religion sie angehören wollte. Doch nach allem, was Rachel passiert war, hatte ich meine Zweifel, ob diese Entscheidung so klug war.
Nach dem Abendgebet gingen wir zu meiner Schwester und meinem Schwager, um mit ihnen zu Abend zu essen. Ein Stuhl blieb leer– der, auf dem Rachel sonst immer
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