Falsches Spiel mit Hannah
saà kerzengerade im Sattel. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen.
Hannah musste plötzlich an einen Ausritt denken, den sie und Myriam vor einigen Jahren gemacht hatten. Es war einer ihrer ersten Geländeritte ohne Sue gewesen und sie hatten sich hoffnungslos im Wald verirrt. Irgendwann hatte Hannah zu weinen angefangen, aber Myriam hatte sie getröstet. Du musst nicht weinen, hatte sie gesagt. Wir sind doch zusammen. Und wenn du und ich zusammen sind, dann kann uns nichts passieren.
Hannahs Angst war sofort verflogen, weil sie gewusst hatte, dass Myriam Recht hatte. Nichts konnte ihnen passieren, solange sie zusammen waren.
Sie hatten Acapulco und Camilla einfach freien Lauf gelassen, die daraufhin mühelos den Rückweg zur Sunshine Ranch gefunden hatten.
Myriams Stute hatte sich gerade fehlerlos durch die Pylone geschlängelt, einmal vorwärts und dann wieder zurück. Die 180°-Wendung vollführte sie genauso perfekt, dann galoppierte sie auf die Holzbrücke zu. Es war die letzte Ãbung vor dem Tor und auch diese würde Myriam glänzend absolvieren, daran gab es keinen Zweifel.
Doch dann stoppte das Quarterhorse plötzlich kurz vor der Brücke und blieb stehen. Hannah hielt den Atem an. Tori beugte sich nach vorn. Ayla stöhnte vor Aufregung. âSie verweigert die Brückeâ, murmelte Sina.
âAber warum tut Myriam nichts?â, flüsterte Juliana.
Myriam saà einfach nur da und blickte ins Publikum. Sie schaute zu Heike, die aufstand und beide Arme hob, als wollte sie Myriam beschwören oder verzaubern. Vergebens. Myriam schwang ein Bein über den Rücken der Stute und sprang auf den Boden. Dann griff sie seelenruhig nach dem Halfter und führte das Pferd vom Turnierplatz.
Ihr Auftritt war beendet.
âNachdem du geritten bist, hat sie gemerkt, dass sie keine Chance hatâ, erklärte Tori. âDeshalb hat sie aufgegeben.â
âVielleicht hat sie einfach die Nerven verlorenâ, mutmaÃte Sina.
Auch in den Reihen vor und hinter ihnen spekulierten die Zuschauer lautstark darüber, warum Myriam den Parcours abgebrochen hatte. Die Reiter, die jetzt an der Reihe waren, fanden kaum noch Beachtung.
Hatte Myriam den Mut verloren? Hatte sie in einem totalen Blackout das Pattern vergessen? Was war nur in sie gefahren?
â Iâm really worried about her â, murmelte Sue, als sich die Jury nach dem letzten Wettkampfbeitrag zur Beratung zurückzog und sie aufstanden, um die Reithalle zu verlassen. âIch mache mir Sorgen. Myriam hat sich so verändert, seit sie bei diesen Idioten trainiert.â
âAch was!â, tönte Tori. âSie hat sich überhaupt nicht verändert. Sie ist ganz genauso, wie sie immer schon war. Wenn sie nicht die Erste sein kann, dann scheidet sie lieber ganz aus.â
âWas meinst du?â, fragte Hannah Hannes, der neben ihr ging. âGlaubst du, sie ist ausgestiegen, weil sie Schiss hatte?â
Er zuckte mit den Schultern. âIch kenn sie ja nicht so gut. Viel weniger als du jedenfalls. Aber ich denke nicht, dass sie es aus Angst getan hat. Es war eher Mut.â
Hannah wollte gerade antworten, aber im selben Moment entdeckte sie Myriam am Ausgang der Reithalle. Sie redete mit ihren Eltern.
Herr Frey, der sehr groà war, stand leicht vornübergebeugt vor seiner Tochter. âKannst du mir bitte mal erklären, was das soll, Myriam?â, hörte Hannah ihn fragen. Sie ging unwillkürlich langsamer, um die Antwort nicht zu verpassen, und dabei fing sie plötzlich Myriams Blick auf.
Einen Moment lang sahen sich die beiden Mädchen schweigend an.
âWas ist denn nun, Myriam?â, fragte Herr Frey gereizt.
Myriam schüttelte traurig den Kopf.
Am liebsten wäre Hannah zu ihr hingegangen, hätte ihren Arm um ihre Schultern gelegt und sie mit sich weggeführt. Wenn du und ich zusammen sind, dann kann uns nichts passieren.
Aber inzwischen hatten die anderen bemerkt, dass Hannah zurückgeblieben war, und riefen nach ihr. Da gab Hannah sich einen Ruck, riss sich von Myriams Blick los und ging weg.
Hannahs Mutter hatte ein Fotoalbum angelegt, in das sie alle Zeitungsausschnitte, Berichte, Bilder und Artikel eingeklebt hatte. Das erste Blatt zierte eine Kopie der Siegerurkunde. âHannah Hoffmann. Platz 1 im Trail, Aachener Westernturnier.â
Platz 1. Wenn Hannah heute darüber nachdachte, erschien es ihr bereits wie
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