Falsches Spiel mit Hannah
ballte.
Dann schloss sie die Augen. Und nun? Was sollte sie sich vorstellen? Etwas Wunderschönes.
Es dauerte ein paar Sekunden, dann wusste sie, wie ihr Traum aussah.
âHeyâ, sagte Hannes leise und drückte ihre Hand. âIch glaube, wir sollten mal langsam wieder rein.â
âWas?â Hannah öffnete verwirrt die Augen.
âIn zehn Minuten beginnt das Turnier.â
Sie sprang auf. âAch du Schreck!â
âKeine Panik. Geht es dir besser?â
Sie runzelte die Stirn. Ja, es ging ihr wirklich viel besser als vorher. Die Aufregung war nicht weg, aber sie loderte nicht mehr wild und unkontrolliert, sondern flackerte nur noch. âDein Spiel hat funktioniert. Danke für den Tipp.â
Sue hatte Acapulco bereits gesattelt und aufgezäumt. âWillst du hier hinten mit ihm warten, bis ihr an der Reihe seid, oder möchtest du die anderen Reiter sehen?â, fragte sie Hannah.
âIch warte hierâ, sagte Hannah. Sie hatte die Startnummer 6. Das bedeutete, dass sie als eine der Ersten dran war. Zum Glück.
âWenn es okay ist, lasse ich dich hier mit Hannes zurückâ, sagte Sue. âIch würde gerne zuschauen. Iâm really curious .â
âMyriam startet als Zwölfteâ, sagte Hannes. âIch hab ihren Namen auf der Anzeigentafel gelesen.â
Aber Hannah hörte gar nicht richtig zu. Sie hielt ihre Augen geschlossen und hatte die Linke zur Faust geballt.
âNummer 6: Hannah Hoffmann.â Ihr Name drang über den Lautsprecher durch die ganze Halle. Spätestens jetzt wüssten Uwe und Heike Bescheid, dass Hannah wirklich antrat. Wie sie wohl reagierten? Uwes Miene war bestimmt undurchdringlich. Und Heike lächelte wahrscheinlich wieder ihr bezauberndstes Lächeln. Möge die Bessere gewinnen. Hahaha.
Acapulco schnaubte freudig, als Hannah sein Halfter ergriff, um ihn auf den Reitplatz zu führen. Als ob er es kaum noch erwarten könnte.
âToi, toi, toi!â, sagte Hannes. Er spuckte dreimal über Hannahs Schulter, dann küsste er sie auf beide Wangen und zum Schluss auf den Mund.
âDanke.â Hannah schloss ein letztes Mal die Augen. Dann öffnete sie sie wieder und holte tief Luft. Jetzt ging es los.
Am Anfang rutschte Hannah vor Aufregung fast aus dem Sattel. Nachdem sie auf den Platz geritten war, hielt sie Acapulco an, um die Jury zu grüÃen. Aber ihr Herz galoppierte einfach weiter.
Die Preisrichter saÃen auf erhöhten Plätzen in der ersten Reihe. Hannah nickte ihnen kurz zu, während sie die Linke zur Faust ballte. Es wirkte. Sie fühlte sich augenblicklich ruhiger.
Nichts kann dir geschehen, Hannah!,hörte sie Hannes wieder sagen.
Lächelnd lenkte sie Acapulco auf die Startposition und rief sich gleichzeitig das Pattern ins Gedächtnis.
Im Trab ging es über ein kompliziertes Geflecht aus Stangen, von links nach rechts und dann wieder zurück. Danach kam eine einzelne Stange. Nachdem Acapulco darübergesetzt hatte, beschleunigte Hannah das Tempo. Er galoppierte über fünf Stangen, die in unregelmäÃigen Abständen auf dem Boden lagen, ein weiteres Hindernis lieÃen sie links liegen und hielten nun auf die Stangengasse zu. Vor der hinteren Begrenzung blieb Acapulco stehen und verharrte einen Moment bewegungslos, bis Hannahs Schenkel ihm das Zeichen gaben, langsam zurückzugehen.
Während Hannah den Appaloosa wieder zum Galopp brachte, fiel ihr Blick auf Uwe. Er saà direkt neben den Preisrichtern, das Kinn auf die Hände gestützt, der Gesichtsausdruck schwer zu deuten. Hannah ballte ihre Faust und schaute wieder nach vorn auf die Bahn. Mit einem Mal fühlte sie sich sehr stark und ungeheuer stolz.
Rückwärtsgerichteter Slalom, Wendung, Holzbrücke und Tor â sämtliche Ãbungen absolvierte Acapulco fehlerfrei und mühelos.
Als Hannah den Ausgangspunkt wieder erreichte, brandete auf den Tribünen tosender Beifall auf. Einige Leute erhoben sich sogar von ihren Plätzen, um ihr zu applaudieren. Beim Verabschieden strahlte Hannah die Wettkampfrichter an.
Und alle fünf lächelten zurück.
Unter dem Applaus des Publikums führte sie Acapulco an Uwe vorbei. Am liebsten wäre sie einfach weitergegangen, aber als sie direkt vor ihm war, zwang sie sich stehenzubleiben. Und ihn anzusehen.
Sie erwartete eigentlich, dass ihr Herz sofort wieder losrasen würde, aber es blieb ganz ruhig.
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