Falsches Spiel
seit ein paar Tagen wohnte, damit Espiño wieder aufmachen konnte. Das Leben musste so normal wie möglich weitergehen, damit niemand Verdacht schöpfte. Schließlich wussten wir nicht, ob ich überwacht wurde. Espiño hatte den geladenen Karabiner unter der Theke deponiert, weil er sich so sicherer fühlte. Falls jemand den Laden aufmischen wollte, käme er nicht ungeschoren davon.
Carla kam nicht mehr zu sich, und ich nicht zur Ruhe. Nur noch ein Tag, dann würde man mich als Verdächtigen im Mordfall Marcelo verhaften. Die Zeugen wären mein Untergang. Carla musste mir unbedingt sagen, was geschehen war.
Im Hintergrund hörte man den Kneipenbetrieb. Die Musik war ein einziges Wehklagen, Nicola di Bari, glaubte ich zu hören.
Ich warf einen Blick ins Lokal. Andrea stierte gelangweilt auf die Straße. Sie war der einzige Gast. Ich marschierte an der Theke vorbei auf sie zu.
»Na, nichts los heute?«, sagte ich.
Espiño, der ein paar Gläser abtrocknete, blickte argwöhnisch zu uns herüber.
»Heute?« erwiderte sie. »Schon seit Tagen ist in dem Laden weniger los als auf dem La Chacarita Friedhof um zwei Uhr morgens.«
»Es wird schon noch einer kommen.«
»Kann sein. Aber der muss dann auch was auf der Naht haben und bereit sein, die Kohle mit mir auszugeben.«
»Man kann nicht alles haben, Andrea«, sagte ich lachend.
»Warum scherst du dich nicht einfach zum Teufel«, sagte sie.
Jetzt war Rückzug angesagt, denn wenn Andrea in Rage geriet, wurde sie zur Furie, und man konnte schon mal eine Ohrfeige riskieren oder ein Glas abbekommen. In der letzten Zeit hatte ich genug einstecken müssen.
Ich setzte mich allein an einen Tisch. Kurz darauf kam Espiño mit dem Syphon, dem Cinzano und dem Fernet. Er stellte zwei Gläser auf den Tisch. Das überraschte mich, denn er trank sonst nie vor Sonnenuntergang.
»Kann ich jetzt gebrauchen«, sagte er.
Ich lächelte und deutete auf den Stuhl gegenüber.
»Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«, fragte er.
In dem Moment fiel mir die Schnittwunde wieder ein. Und ich berichtete ihm haarklein, was letzte Nacht geschehen war. Espiño lauschte meinem Bericht, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich bat ihn, María nichts davon zu erzählen, damit sie sich nicht unnötig Sorgen machte.
»Ich werde mal bei Forresters vorbeischauen«, sagte ich, um das Thema zu wechseln.
»Willst du ihnen sagen, dass du Carla gefunden hast?«
»Noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich erst herausfinden muss, inwieweit Juan Carlos Forrester in die Sache verwickelt ist.«
»Ist der denn wieder aufgetaucht?«
»Keine Ahnung.«
»Willst du nicht lieber warten, bis Carla aufwacht, damit sie dir noch ein paar Informationen gibt?«
Ich überlegte kurz.
»Wer weiß, wann sie aufwacht und vor allem wann sie wieder klar denken und reden kann. Wenn ich hier tatenlos herumsitze, werde ich verrückt. Habe ich dir schon erzählt, dass heute die Zeugen aus Córdoba eintreffen? Die, die mich mit Marcelo am Abend seiner Ermordung gesehen haben.«
Schweigend sah Espiño mich an. Die Züge um sein Kinn verhärteten sich.
»Ich soll zu einer Gegenüberstellung antreten. Wenn ich das tue, wird man mich verhaften. Also muss ich meinen Arsch in Bewegung setzen. Wenn die Polizei anruft, halt dich bedeckt. Vielleicht werd ich für ein paar Tage abtauchen. Das kannst du María ruhig erzählen.«
Ich stand auf und nahm den Mantel vom Haken.
»Deine Klamotten gebe ich dir später zurück.«
Zum Abschied hob ich kurz die Hand und trat auf die Straße.
Mit dem Taxi fuhr ich bis zum Bahnhof Once und nahm einen Zug der Linie Sarmiento. Ich bedauerte, dass ich meinen Gordini nicht mehr hatte. Eineinhalb Stunden später stand ich vor dem Haus der Forresters. Ich klingelte mehrfach und wartete. Sandra erschien am Fenster. Zehn Sekunden später öffnete sie mit vorgehängter Kette. Sie wollte mich an der Tür abfertigen.
»Haben Sie Carla gefunden?«
»Ist Ihr Mann wieder aufgetaucht?«
»Nein«, erwiderte sie.
»Haben Sie die Polizei informiert?«
»Ich habe inoffiziell mit Antelo gesprochen. Er hat mir geraten, noch keine Anzeige zu erstatten, sonst würde die Tortur mit den Journalisten von Neuem beginnen.«
Ich wunderte mich, dass Antelo so umsichtig war, hielt aber meinen Mund.
»Wollen Sie mich nicht hereinlassen?«
Sie sah mir in die Augen.
»Haben Sie mir etwas Wichtiges zu sagen, oder werden Sie mir dieselben Fragen stellen wie vor zwei Tagen?« Susana hatte ihr also offenbar noch nichts
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