Falsches Spiel
gestand uns, was sie schon am Telefon gesagt hatte. Ich konnte es nicht glauben. Mein Vater war immer schon ein Arschloch gewesen, aber das war einfach zuviel …«
»Und was habt ihr dann gemacht?«
»Wir haben beschlossen, José Luis Bescheid zu geben, denn der arbeitete zusammen mit Señora Carter an der Sache mit den Außerirdischen. Wir wollten ihn warnen, dass sie alle nur nützliche Idioten waren und einem Schwindel aufsaßen, dass sie in Wahrheit für eine Organisation arbeiteten, die Menschen tötete. Marcelo meinte, ich sollte erst zu Hause vorbeigehen, meine Sachen packen und verschwinden, denn wenn herauskäme, dass wir mit Señora Carter gesprochen hätten, würde es uns an den Kragen gehen. Er sagte, er habe den Schlüssel von Señora Carters Haus in La Falda, und wir könnten uns dort verstecken. Er meinte, wir könnten dort locker ein oder zwei Monate bleiben.«
»Warum hatte Marcelo den Schlüssel?«
»Seit wir zusammen waren, misstraute Marcelo meinem Vater. Die beiden konnten sich nicht ausstehen. Mein Freund hat das mit den Außerirdischen nie geschluckt und hatte sich deshalb Señora Carters Gruppe angeschlossen, um auf eigene Faust herauszufinden, was da lief. Die Carter hatte ihn beauftragt, sich bis zum Beginn der Bauarbeiten um das Haus in La Falda zu kümmern. Nur sie wusste, dass Marcelo einen Schlüssel hatte.«
María kam mit dem Glas Wasser. Carla leerte es mit einem Zug. Schon ein wenig belebter, setzte sie ihren Bericht fort.
»Wir sind dann zu mir nach Hause. Marcelo hat draußen gewartet, und ich bin rauf in mein Zimmer gegangen. Aus dem Zimmer meines Vaters habe ich Geräusche gehört und an der Tür gelauscht. Da schliefen zwei miteinander. Wie in einem Reflex habe ich die Tür aufgerissen. Ich wusste ja, dass meine Mutter nicht zu Hause war. Und da habe ich sie gesehen. Meinen Vater und Dr. Tudor. Ich war starr vor Schreck und habe geschrien. Mein Vater hat sich umgedreht und mich angesehen. Sein überraschtes, hasserfülltes Gesicht werde ich nie vergessen. Er ist aus dem Bett gesprungen und hat sich nackt wie er war auf mich gestürzt. Mein Vater war völlig außer sich, er hat gebrüllt und auf mich eingeschlagen. Ich musste schwören, dass ich niemandem etwas davon sage, er hat mich beschimpft und gedroht, wenn ich redete, würde er Mama umbringen.«
Die Bilder setzten sich in meinem Kopf zu einem Film zusammen.
»Irgendwann konnte ich entkommen und bin einfach weggerannt. Draußen habe ich Marcelo zugerufen, er solle abhauen. Ich habe noch mitbekommen, dass Tudor hinter mir her ist. Marcelo ist Richtung Bahnhof gelaufen, und ich in die andere Richtung. Ich bin eine schnelle Läuferin, Tudor hat mich nicht erwischt. Drei Straßen weiter musste er aufgeben. Ich bin dann zum Bahnhof, zu Marcelo, und wir haben den Zug genommen. Wir wollten zu ihm nach Hause. Als wir am Bahnhof Once ankamen, haben wir José Luis angerufen und ihm das von meinem Vater erzählt, aber Tudors Namen nicht erwähnt. Von der Organisation, die linke Aktivisten tötet, habe ich erstmal nichts gesagt, weil ich das unter vier Augen tun wollte. Ich habe nur gesagt, er solle sich von Señora Carter und meinem Vater fernhalten.«
»Sie hätten José Luis reinen Wein einschenken sollen«, dachte ich laut, denn jetzt war er tot.
»Vermutlich haben Sie Recht, aber ich stand unter Schock.«
»Egal. Was geschah dann?«
»Als wir bei Marcelo ankamen, um ein paar Sachen zu holen, warteten dort vier Männern auf uns. Sie haben Marcelo geschlagen, bis er ohnmächtig wurde, und mich mitgenommen. Den Rest der Geschichte kennen Sie.«
»Haben Sie eine Ahnung, warum sich Ihr Vater an der Sache beteiligt hat?«
»Nein. Das frage ich mich, seit ich von all dem erfahren habe.«
»Wissen Sie, wo ihr Vater jetzt ist?«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Er ist vor zwei Tagen verschwunden.«
Keinerlei Regung in ihrem Gesicht. Es war offenkundig, dass ihr Vater schon lange nicht mehr ihr Vater war.
»Mein Wärter hat ein paar Mal gesagt, mein Vater hätte meinetwegen große Probleme. Durch mich hätte sich die Sache verkompliziert. Warum, das hat er nicht gesagt.«
»Vielleicht haben sie ihn deshalb aus dem Weg geschafft«, spekulierte ich. Meine Worte ließen sie völlig unbeeindruckt.
»Ich bin müde«, sagte sie. »Ich würde gerne schlafen.«
»Ruhen Sie sich aus, Sie werden viel Kraft brauchen«, erwiderte ich ohne weitere Erklärungen.
Sehr bald würde ich ihr vom Tod von Marcelo, José Luis, Señora
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