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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ringsum verstärkt wurde, und fühlte die Gegenwart des Publikums, das er in der Dunkelheit kaum sehen konnte. Dem Finale folgte donnernder Applaus.
    Wieder und wieder verbeugten sie sich. Jemand flüsterte, daß Domenico von nun an berühmt sein würde. Er hätte besser gesungen als alle Sänger, die gegenwärtig auf Neapels Bühnen standen, und was Loretti anbetraf, man brauchte ihn sich doch nur anzusehen!
    Maestro Cavalla kam hinter den Vorhang und umarmte seine Sänger einen nach dem anderen, bis er zu Domenico kam. Er tat so, als wolle er diesem erlesenen Mädchen eine Ohrfeige versetzen, worauf sich dieses mit einem leise dahinplätschernden, heiseren Lachen duckte.
    Sie alle seien jetzt bei der Contessa eingeladen, erklärte er, sie alle. Der Maestro nahm Tonio bei den Schultern und küßte ihn auf beide Wangen, wischte ihm dabei ein wenig Farbe vom Gesicht und sagte: »Glaub mir, jetzt, da du erst einmal Thea-terblut geleckt hast, wirst du stets danach dürsten.«
    Tonio lächelte. Der Applaus klang noch in seinen Ohren nach.
    Aber er wußte, daß er mit den anderen nicht zur Contessa gehen durfte, wußte, daß er es nicht konnte.

    Tonio machte sich, nachdem er das blaue Band von seinem Degen entfernt hatte, eilig auf den Weg, um durch den Bühnenausgang in den Garten hinauszugelangen, da winkte ihm jemand aus einer Garderobe, die kaum beleuchtet war, zu. Er tastete nach seinem Stilett, das er unter seinem Umhang trug.
    »Komm rein!« flüsterte es hinter der Tür.
    Langsam näherte er sich der Tür, stieß sie dann mit seiner linken Hand weit auf.
    Zu beiden Seiten eines großen Standspiegels brannte eine Kerze, überall ringsum hingen prächtige Kleider auf Haken, saßen Perücken auf ihren blinden Holzköpfen, lagen Haufen von Pantoffeln herum. Es war Domenico, der ihn hereingeru-fen hatte. Er schloß jetzt rasch die Tür und schob den Riegel vor.
    Tonios Finger ließen den Griff seines Stiletts nicht los.
    «Ich muß jetzt gehen«, sagte er, wobei er den Blick von jener kleinen Wölbung, die die vollkommene Illusion eines weiblichen Busens erweckte, abwendete.
    Domenico hatte sich gegen die Tür gelehnt. Sein zartes Gesicht leuchtete in der Dunkelheit. Als er lächelte, vertiefte sich die Höhlung seiner Wangen, der Kerzenschein spielte auf seinen Gesichtszügen. Wieder sprach er mit dieser Frauenstim-me, die heiser und schmeichelnd war.
    »Hab keine Angst vor ihm«, flüsterte er.
    Tonio merkte, daß er einen Schritt rückwärts gemacht hatte.
    Sein Herz schlug laut.
    »Vor wem soll ich keine Angst haben?« fragte er.
    »Vor Lorenzo natürlich«, erwiderte die rauhe Samtstimme.
    »Ich würde es nicht zulassen, daß er dir etwas antut.«
    »Komm nicht näher!« sagte Tonio barsch. Abermals machte er einen Schritt zurück.
    Domenico jedoch lächelte nur. Den Kopf hatte er dabei ein wenig zur Seite geneigt, so daß die weißen, gepuderten Lok-ken über seine Schulter auf seine gewölbte Brust fielen.
    »Soll das bedeuten, daß ich derjenige bin, vor dem du Angst hast?«
    Tonio sah verwirrt weg. »Ich muß gehen«, sagte er.
    Domenico stieß einen langen, betörenden Seufzer aus. Dann schlang er plötzlich seine Arme um Tonio. Er drückte die weichen Rüschen seines Mieders an Tonios Brust. Tonio stolperte rückwärts, fand sich am Spiegel wieder. Er streckte seine Hände nach hinten aus, um sich am Spiegelglas abzustützen.

    »Du hast Angst vor mir«, flüsterte Domenico.
    »Ich habe keine Ahnung, was du willst!« sagte Tonio.
    »Ach, aber ich weiß, was du willst. Warum hast du Angst, es dir zu holen?«
    Tonio wollte schon den Kopf schütteln, aber er hielt inne, starrte Domenico dabei in die Augen. Es war unvorstellbar, daß sich hinter diesem Putz, hinter all diesem Zauber irgend etwas Männliches verbarg. Als er die Lippen sah, die sich ihm feucht und geöffnet näherten, schloß er die Augen, entzog sich. Ge-wiß hätte er diese Kreatur mit einem Schlag zu Boden strek-ken können, dennoch wich er zurück, als würde er sich an ihr verbrennen.
    Da spürte er, wie Domenico sich mit seinem ganzen Körper an ihn preßte, spürte durch den Satinrock hindurch die Rundung seines Schenkels und dann Domenicos Hand, die ihm an die Hose faßte.
    Er hätte Domenico fast geschlagen. Aber Domenicos Gesicht berührte das seine. Er spürte seine Wimpern im selben Augenblick, in dem Domenico sein Geschlecht ergriff und es streichelnd zu Leben erweckte.
    Tonio war so schockiert, daß er es fast verdorben

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