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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Signore«, sagte er.
    »Sie ist Malerin, eine sehr bedeutende Malerin.« In seinem Ton lag milder Spott, aber er war so freundlich und unbestimmt gehalten, daß er auch an die Welt im allgemeinen hätte gerichtet sein können.
    »Sie hat dort ein Atelier...« Das war mehr eine Feststellung als eine Frage. Tonio sah wieder die tanzenden Nymphen an der Wand an.
    »Ach, sehen Sie, Signore, da kommt sie schon zusammen mit Maestro Guido«, sagte der alte Mann und gestikulierte jetzt zum ersten Mal mit seiner rechten Hand.
    Sie näherten sich vom Garten her.
    Ihre Hand ruhte auf Guidos Arm. Sie hatte eine dicke und schwere Mappe bei sich, während Guido eine noch größere unter dem anderen Arm trug. Unter ihrem leichten Wollcape, dessen Kapuze zurückgeschlagen war, so daß der Wind sich in ihren Haaren verfing, leuchtete ein geblümtes Leinenkleid hervor. Sie unterhielt sich mit Guido. Sie lachte, und Guido, der die Augen zu Boden gerichtet hatte, während er sie den Pfad entlangführte, lächelte und nickte.
    Tonio spürte, daß zwischen den beiden ein zwangloses Verhältnis herrschte. Sie unterhielten sich ernsthaft über irgendein Thema, so als würden sie sich schon seit langem kennen.
    Er wagte nicht einmal zu atmen, als sie ins Zimmer traten.
    »Ja, darf ich denn meinen Augen trauen?« sagte Guido ironisch. »Das ist doch der junge Tonio Treschi, der berühmte und geheimnisvolle Tonio Treschi, der bald ganz Rom in Erstaunen versetzen wird.«
    Tonio starrte ihn benommen und wortlos an. Die Luft schien erfüllt vom leisen Lachen des Mädchens.
    »Signore Treschi.« Sie machte ganz rasch einen kleinen Knicks und sagte mit einer reizenden, schwingenden Modula-tion: »Wie wunderbar, daß Sie da sind.«
    Sie wirkte sehr lebhaft. Um ihre strahlenden Augen zeigten sich Lachfältchen, und das geblümte Kleid verstärkte in gewisser Weise den Eindruck der Leichtigkeit und Bewegung, den Sie vermittelte, obwohl sie einfach ganz still dastand.
    »Ich muß dir etwas zeigen, Tonio«, sagte Guido. Er hatte die schwere Mappe genommen und sie auf das Cembalo gelegt.
    »Christina hat es eben heute nachmittag fertiggestellt.«
    »Aber es ist doch noch gar nicht fertig«, protestierte sie.
    Guido hob eine große Studie in Pastell hoch.
    »Christina?« fragte Tonio. Seine Stimme kam ihm rauh und merkwürdig erstickt vor. Er konnte seinen Blick nicht von ihr wenden. Die frische Luft hatte ihr ein strahlendes Aussehen verliehen, ihre Wangen waren gerötet, und obwohl ihr Lächeln einen kurzen Augenblick verschwunden war, kehrte es sofort wieder zurück.
    »Ach, bitte verzeih mir, Christina«, sagte Guido unbefangen.
    »Ich war mir sicher, ihr beide würdet euch kennen.«
    »Oh, natürlich kennen wir uns, Signore Treschi, nicht wahr?«
    sagte sie rasch, ging auf ihn zu und streckte ihm ihre Hand entgegen.
    Er starrte auf ihre Finger herab, die er fest umschlossen hielt, und stellte fest, daß sich ihre Hand unbeschreiblich weich an-fühlte. Es war eine Hand wie die einer Puppe, so winzig. Man konnte sich gar nicht vorstellen, daß sie irgend etwas Ernsthaftes tat, was auch immer es sein mochte. Dann wurde ihm mit einem Mal bewußt, daß er still wie eine Statue dastand und beide ihn anstarrten. Sofort beugte er sich hinunter, um ihre Hand zu küssen.
    Dennoch hatte er nicht vor, sie mit den Lippen zu berühren.
    Sie mußte das jedoch geahnt haben, denn sie hob ihm genau im richtigen Moment ihre Hand ein kleines Stück entgegen und nahm seinen Kuß in Empfang.
    Er warf einen raschen Blick zu ihr hoch. Sie wirkte plötzlich unglaublich verwundbar. Sie sah ihn an, als wären sie ganz weit voneinander entfernt und als verfüge sie über sehr viel Zeit.
    »Schau, Tonio«, sagte Guido ganz ungezwungen, so als wäre alles ganz in Ordnung. Er hielt ein Pastellgemälde hoch, auf dem er porträtiert war.
    Es war eine ausgezeichnete Studie. Guido wirkte ganz lebendig. Da war sein grüblerischer Blick, selbst dieser drohende Schimmer in seinen Augen. Sie hatte weder seine eingedrück-te Nase noch seine vollen Lippen beschönigt, dennoch hatte sie sein Wesen eingefangen, was das Ganze harmonisch erscheinen ließ.
    »Tonio«, meinte Guido, »sag mir, was du davon hältst!«
    »Vielleicht könnten Sie mir Modell sitzen, Signore Treschi«, sagte sie jetzt rasch. »Ich würde Sie sehr gerne malen. Um ehrlich zu sein, ich habe Sie bereits gemalt«, gestand sie ein wenig verschämt, wobei sich ihre Wangen mit einer leichten Röte überzogen, »aber nur aus

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