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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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flüsterte Tonio. Er fragte sich, ob Paolo sah, daß er blaß wurde. Er war sich sicher, daß er ein wenig blaß geworden war.
    »Tonio, was sollen wir nur tun? Signora Bianchi sagt, wenn die Leute in einer derartigen Stimmung sind, dann schaffen sie es womöglich, daß das Theater zumacht. Aber es ist alles Signora Grimaldis Schuld, sie hat das Ganze ausgelöst. Sie kam in die Stadt und sagte, du würdest besser singen als Farinelli.
    Das ist auch der Grund, weshalb sie all das mit Farinelli sagen.«
    »Signora Grimaldi?« fragte Tonio leise. »Wer ist denn Signora Grimaldi?«
    »Aber Tonio, du kennst sie doch, sie ist verrückt nach dir. Sie ist in Neapel immer in der ersten Reihe gesessen, wenn du gesungen hast. Und jetzt hat sie alle in Unruhe versetzt. Gestern abend hat sie im Hause des englischen Botschafters allen erzählt, daß du der größte Sänger seit Farinelli wärst und daß sie Farinelli in London singen gehört hätte. Du weißt, daß die Römer der Meinung sind, eine Engländerin habe ihnen rein gar nichts zu sagen.«
    »Paolo, jetzt mach mal einen Augenblick Pause. Wer ist sie?
    Wie sieht sie aus?«
    »Oh, sie hat blondes Haar, unordentliches Haar, du weißt schon, Tonio. Sie ist diejenige, die mit dem Cousin der Contessa verheiratet war, und jetzt ist sie reich und macht nichts anderes mehr als malen...«
    Tonios Gesichtsausdruck veränderte sich so kraß, daß Paolo einen Augenblick schwieg.
    »Tonio!« Paolo zog an seiner Hand. »Die Leute waren schon schlimm genug, bevor sie kam, jetzt aber sind sie unmöglich.
    Signora Bianchi sagt, ein Mob wie dieser schafft es, daß das Theater zumacht.«
    »Sie ist in Rom...«, flüsterte Tonio.
    »Ja, sie ist in Rom. Ich wünschte, sie wäre in London«, erklär-te Paolo. »Und gerade eben ist sie bei Maestro Guido.«
    Tonio sah Paolo an.
    »Was soll das heißen: Sie ist bei Guido?«
    »Sie sind in der Villa der Contessa. Sie zieht dort ein.« Paolo zuckte mit den Schultern. »Tonio, was sollen wir tun?«
    »Jetzt hör mit diesem Unsinn auf«, murmelte Tonio. »Es ist nicht ihre Schuld. Die Leute sind einfach nur aufgeregt, das ist alles. Wenn sie nicht so reden würden, dann wären sie...«
    Tonio drehte sich unvermittelt um. Er zog seinen Rock an, befestigte ein Spitzenjabot am Hals und ging zum Schrank, um seinen Degen zu holen.
    »Wo gehst du hin, Tonio?« wollte Paolo wissen. »Tonio, was sollen wir tun?«
    »Paolo, Bettichino wird niemals zulassen, daß das Theater zumacht«, sagte Tonio zuversichtlich. »Wenn er das täte, dann würde er nämlich arbeitslos.«

    Es war später Nachmittag, als er in der Villa der Contessa, die sich ein kleines Stück südlich von Rom befand, eintraf.
    Überall waren Gärtner damit beschäftigt, immergrüne Sträucher zu beschneiden und ihnen die Gestalt von Vögeln, Löwen und Rehen zu geben. Die Rasenflächen lagen grün und makellos im Lichte der sinkenden Sonne da, ringsum plätscherten Brunnen. Sie befanden sich inmitten rechteckiger, sauber geschnittener Grasflächen, auf Gehwegen oder unter Alleen, die mit kleinen, vollkommen runden Bäumen bestanden waren.
    Tonio spazierte in das frisch tapezierte Musikzimmer und sah, wie sich unter einem schneeweißen Tuch die Form eines Cembalos abzeichnete.
    Er hielt einen Augenblick inne, starrte auf den Boden und wollte schon den Raum genauso rasch und entschlossen wieder verlassen, wie er ihn eben betreten hatte, als, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, ein alter Portier angeschlurft kam.
    »Die Contessa ist noch nicht eingetroffen, Signore«, lispelte der alte Mann mit trockenen Lippen. »Aber sie wird jeden Tag erwartet, jeden Tag.«
    Tonio hatte gerade dazu angesetzt, sich murmelnd nach Guido zu erkundigen, als er an der gegenüberliegenden Wand eine riesige Leinwand sah. Die Farben waren ihm vertraut, die zarten Gestalten der im Kreis tanzenden Nymphen mit ihren durchscheinenden Kleidern. Magisch davon angezogen, ging er auf das Bild zu, da hörte er den alten Mann hinter sich leise brummen: »Ach, aber die junge Signora, die ist da, Signore.«
    Tonio drehte sich um.
    »Sie kann jeden Augenblick wieder zurück sein, Signore. Sie ist heute nachmittag mit Maestro Guido zur Piazzadi Spagna gegangen.«
    »Und wohin dort genau?« fragte er.

    Ein Lächeln erhellte das runzelige Gesicht des alten Mannes.
    Er wippte wieder auf den Fußballen, wobei er die Hände immer noch hinter dem Rücken verschränkt hielt.
    »Natürlich zum Atelier der jungen Signora,

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