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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dem Gedächtnis. Ich würde aber sehr gerne ein richtiges und sorgfältiges Portrait von Ihnen anfertigen.«
    »Nimm dieses Angebot an«, sagte Guido nüchtern, während er sich mit dem Ellbogen auf das abgedeckte Cembalo stützte.
    »Innerhalb eines Monats wird Christina die bekannteste Por-traitmalerin Roms sein. Wenn du es nicht tust, dann wirst du dir wie ein gewöhnlicher Sterblicher einen Termin geben lassen und warten müssen, bis du an der Reihe bist.«
    »Oh, Sie brauchten nie zu warten.« Sie lächelte beinahe fröhlich und wirkte plötzlich quicklebendig. Ihre blonden widerspenstigen Härchen bewegten sich im leichen Lufthauch, der durch das Zimmer strich. »Vielleicht könnten Sie ja morgen kommen«, sagte sie ernst. »Ich möchte so gern anfangen.«
    Ihre Augen waren dunkelblau, fast violett, und so entzückend!
    Unsagbar. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie so dunkelblaue Augen gesehen.
    »Kommen Sie doch am Nachmittag«, sagte sie mit diesem schwachen Tremolo in der Stimme. »Ich bin Engländerin, ich halte keinen Mittagsschlaf, aber wenn Sie wollen, können Sie auch später kommen. Ich würde Sie gerne malen, bevor Sie so berühmt sind, daß Sie jeder malen will. Sie würden mir damit einen großen Gefallen erweisen.«
    »Ach, welche Bescheidenheit bei diesen beiden begabten Kindern«, sagte Guido. »Tonio, die junge Signora spricht mit dir...«
    »Sie werden in Rom wohnen?« murmelte Tonio. Seine Stimme klang so matt, daß sie sich sicherlich gleich erkundigen würde, ob er sich nicht wohl fühlte. Davon war er überzeugt.
    »Ja«, sagte sie. »Hier gibt es so viel zu sehen, so viel zu malen.« Dann vollzog sich in ihrem Gesicht wieder eine dieser dramatischen Veränderungen, und sie fügte in merkwürdig schlichtem Ton hinzu: »Aber vielleicht werde ich, wenn die Opernsaison vorbei ist, Ihnen auch folgen, Signore Treschi.
    Ich werde zu einer jener verrückten Frauen werden, die einem großen Sänger quer über den ganzen Kontinent nachreisen.«
    Ihre Augen weiteten sich, aber sie blieb ernst. »Vielleicht kann ich nicht malen, wenn ich zu weit vom Klang Ihrer Stimme entfernt bin.«
    Tonio errötete heftig. Wie durch eine Watteschicht hörte er Guido lachen.
    Sie war zu jung! Sie begriff gar nicht, was ihre Worte eigentlich bedeuteten. Sie konnte sich doch nicht hier ganz allein ohne die Contessa aufhalten! Und sie anzusehen, ihre erlesenen weißen Brüste, die unter dieser steifen Spitzenborte auf beinahe grausame Weise plattgedrückt wurden...
    Das Blut prickelte regelrecht in seinem Gesicht.
    »Das wäre wunderbar«, sagte Guido. »Du begleitest uns überallhin, und es wird nicht lange dauern, bis man von den Porträts der großen Christina Grimaldi spricht. Bald schon werden wir dann von Leuten, die absolut unmusikalisch sind, gebeten, ein Konzert bei ihnen zu geben, nur weil sie sich in Öl oder Pastell verewigt sehen wollen.«
    Sie lachte und warf errötend den Kopf zurück. Das Haar in ihrem weißen Nacken war feucht, kleine Löckchen blieben an ihren Wangen kleben. Es war jedoch eine winzige Spur Anspannung aus ihrer Stimme herauszuhören.
    »Die Contessa würde ebenfalls mitkommen«, fuhr Guido mit vorgetäuschter Langeweile fort, »wir würden alle zusammen reisen, würden eine richtige Kavalkade bilden.«
    »Wäre das nicht wunderbar«, flüsterte sie, aber es wirkte ein wenig kläglich.
    Tonio merkte, daß er sie anstarrte, als wäre er nicht ganz bei Sinnen. Er sah weg, überlegte, was er sagen sollte, selbst wenn es nur der kleinste Satz war. Dieses ganze Gerede paß-
    te nicht zu ihr, sie begriff gar nicht, was sie da sagte. So sprachen Cavalieri serventi und ehebrecherische Frauen, sie aber hatte etwas Reines und Ernsthaftes an sich. Frisch verwitwet, war sie wie ein Schmetterling, der sich aus seinem Kokon zu befreien suchte.
    In ihrer Zerbrechlichkeit wirkte sie fremdartig, exotisch.
    »Aber um Ihnen eine ernsthafte Antwort zu geben, Signore Treschi«, sagte sie jetzt auf dieselbe schlichte Weise. »Ich habe ein Atelier an der Piazzadi Spagna gemietet. Ich werde dort wohnen. Guido war so freundlich, mir Modell zu sitzen, damit ich mir eine Meinung über die Lichtverhältnisse dort bilden konnte.«
    »Ja, wir mußten alle fünf Minuten den Platz wechseln«, be-klagte Guido sich mit gespieltem Ärger, »und Dutzende von Bildern an der Wand befestigen. Aber es ist ein schönes Atelier, wirklich. Und wenn ich müde und schlecht gelaunt bin, dann kann ich vom Palazzo aus zu Fuß

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