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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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seinem Gesicht. Sie zog ihm die Maske vom Gesicht und stieß, als sie seine geschminkten Augen sah, einen weiteren, halb unterdrückten Ausruf des Erstaunens aus.
    »Sie ängstigen mich, Signore«, flüsterte er nun wieder mit dieser dunklen femininen Stimme, worauf Christina tat, als wolle sie über ihn herfallen.
    Sie faßte ihm mit ihrer kleinen Hand unter den Rock, sie tastete nach der Blöße darunter und packte, als sie sein hartes Glied fand, so fest zu, daß er leise flüsterte: »Vorsichtig, mein Liebling, damit du nicht das, was übrig ist, auch noch ruinierst.«
    Sie war völlig entgeistert und mußte schließlich laut lachen.
    Dann drückte sie sich an ihn, seufzte und lag still an seiner Brust. Noch nie zuvor hatte er so etwas zu ihr gesagt, noch nie hatte er auch nur mit einem einzigen Wort das angesprochen, was er war. Jetzt beobachtete er sie mit einer Nachsicht, als wäre sie ein Kind.
    »Ich liebe dich«, flüsterte sie.
    Er schloß die Augen. Der Spiegel war verschwunden, ebenso die Kleidung, die sie beide trugen. Er dachte verträumt daran, wie sehr er es als Kind geliebt hatte, sich im Dunkeln zu ver-stecken. Niemand konnte ihn verletzen, wenn ihn die Dunkelheit unsichtbar gemacht hatte. Als er sie wieder anblickte, da sah sie weder Schminke noch Perücke, weder Samt noch Satin, sondern nur ihn. Es war, als befänden sie sich gemeinsam in dieser Dunkelheit.
    »Was ist los? Was denkst du, wenn du so schaust?« flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf. Er lächelte. Er küßte sie. Und im Spiegel sah er ihrer beider strahlendes Bild, verborgen in Verklei-dungen, aber ein vollkommenes Paar.

    Sobald er jedoch an diesem Abend zusammen mit ihr das Atelier betrat, wußte er, daß Guido mit ihr gesprochen hatte.
    Sie war bereit, alles hier zurückzulassen, damit sie Ostern in Florenz sein konnte. Sämtliche Portraits konnte sie noch vor Ende der Fastenzeit fertigstellen, und so lange würde er doch sicherlich noch warten. Dann könnten sie gemeinsam nach Florenz reisen.
    Sie ging leichtfüßig und rasch im Atelier umher, sprach von ihren Bildern, redete davon, was hier noch fehlte, was dort noch zu machen war. Sie brauchte ja so wenig Reisegepäck, außerdem hatte sie sich einen neuen ledernen Transportkoffer für ihre Pastellfarben gekauft. In den Kirchen von Florenz wollte sie viele Skizzen anfertigen. Sie war noch nie in Florenz gewesen, ob er das gewußt hätte? Sie löste genau im richtigen Moment das Band in ihrem Haar, so daß es ihr jetzt offen über den Rücken fiel.
    Er fühlte sich schmal und irgendwie gewichtslos, so wie er sich immer nach einer Vorstellung fühlte. Seine Männerkleidung kam ihm, verglichen mit der griechischen Rüstung und den üppigen Röcken, ganz leicht vor. Christina war immer noch der Junge, mit ihrem herrlichen, weizenblonden und seidigen Haar wirkte sie jedoch wie ein Edelknabe oder ein Engel von einem alten Gemälde.
    Er starrte sie wortlos an und wünschte sich dabei, Guido hätte ihr nichts gesagt. Gleichzeitig wußte er jedoch, daß Guido es ihm damit irgendwie auch leichter gemacht hatte. Aber diese letzten Nächte mit ihr... diese letzten Nächte ... wie sollten sie sein, was hatte er sich gewünscht?
    Er hatte nicht das Gefühl, daß etwas fehlte, als er sie ansah, und sie zeigte ihm keine Traurigkeit, keine Angst.
    Er bedeutete ihr mit einem Wink, ihm ins Schlafzimmer zu folgen, und plötzlich warf sie sich in seine Arme, ließ sich von ihm hochheben und tragen. »Ganymed«, flüsterte er ihr zu, während er durch ihre Hose und durch die feste, zweireihige Vorderseite ihres kleinen Offiziersrocks hindurch ihren sinnlichen Körper spürte.
    Es war, wie es mit Paolo im Café gewesen war. Er fühlte sich schläfrig und dennoch höchst lebendig. Wo er auch hinsah, stürmten Farben auf ihn ein. Er spürte das Material der Bettla-ken zwischen seinen Fingern, die feuchte und warme Haut in ihren Kniekehlen. Ihre Schultern hatte der Kerzenschein in ein bläuliches Licht getaucht. Er zog sie an sich und fragte sich dabei, wie lange er das noch aushalten konnte. Wann würde der schreckliche, zerrende Schmerz kommen?

    Von der Liebe besänftigt, zündete sie die Kerzen wieder an.
    Sie schenkte sich und Tonio Wein ein und begann zu reden.
    »Ich würde dich an jeden Ort der Welt begleiten«, sagte sie.
    »Ich werde die Damen in Dresden und in London malen. Ich werde die Russen in Moskau malen, ich werde Könige und Königinnen malen. Denk nur, Tonio, all die Kirchen, die

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