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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ich bin, nicht kommen wird!«
    Er konnte sehen, daß er ihr angst machte. Er hatte sie an den Schultern gepackt, die so zart und zerbrechlich waren. Ihre Lippen bebten, und in ihren Augen schimmerten Tränen.
    »Du weißt nicht, was du bist«, sagte sie, »sonst würdest du so etwas nicht sagen.«
    »Ich rede jetzt nicht mehr von Ehrbarkeit und Ansehen«, widersprach er. »Inzwischen glaube ich dir, wenn du sagst, daß dir eine Ehe nichts bedeutet, daß es dir egal ist, wenn man über dich redet und dich verunglimpft, weil du einen Eunuchensänger liebst. Du hast mich davon überzeugt, daß du stark genug bist, um darüber hinwegzugehen. Aber du weißt nicht, wie es ist, einen Mann in deinen Armen zu halten.
    Glaubst du denn, ich könnte es ertragen, eines Tages in deinem Blick zu lesen, daß du genug von mir hast und für andere bereit bist...«
    »Ist es denn so falsch von mir, wenn ich deine Sanftheit liebe, die bei Männern ungewöhnlich wäre!« wollte sie wissen. »Ist es denn so merkwürdig, daß ich dein Feuer einem anderen Feuer vorziehe, das mich vielleicht verzehren würde? Kannst du dir denn nicht vorstellen, wie unser gemeinsames Leben aussehen würde? Warum sollte ich Verlangen nach etwas haben, was mir jedermann geben kann, wenn ich doch dich haben kann! Was wird es nach dir noch für eine Rolle spielen?
    Was wird da noch einen Wert haben? Du bist Tonio Treschi, du besitzt die Begabung und die Größe, nach der andere ein Leben lang vergebens streben. Oh, du machst mich zornig, ich könnte auf dich einschlagen, weil du nicht an mich glauben willst! Weil du nicht an ein gemeinsames Leben glauben willst!
    Und du triffst diese Wahl für uns beide, und das kann ich dir niemals verzeihen. Begreifst du das! Du hast dich mir nur für eine so kurze Zeit geschenkt! Das werde ich dir niemals verzeihen!«
    Sie saß vornübergebeugt da, die nackten Brüste unter einem Schleier goldenen Haares verborgen. Die Hände hatte sie vors Gesicht geschlagen, während sie von einem erstickten Schluchzen geschüttelt wurde.
    Er wollte sie berühren. Er wollte sie trösten, sie anflehen, damit aufzuhören. Aber er war zu wütend und zu unglücklich.
    »Du bist gnadenlos«, sagte er plötzlich. Und als sie ihn ansah, das Gesicht tränenüberströmt und vom Weinen geschwollen, fuhr er fort: »Du bist gnadenlos zu dem Jungen, der ich war, und dem Mann, der ich hätte sein können. Du bist gnadenlos, weil du nicht begreifst, daß ich jedesmal, wenn ich dich in die Arme nehme, weiß, was zwischen uns hätte sein können, wenn ...«
    Sie legte ihm die Finger auf die Lippen. Er starrte sie mit äu-
    ßerster Bestürzung an, dann nahm er ihre Hand von seinem Mund.
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Wir hätten einander nie kennengelernt«, sagte sie. »Ich schwöre dir bei allem, was mir heilig ist, daß deine Feinde auch meine Feinde sind, und daß, wer dir weh tut, auch mir weh tut. Du sprichst aber nicht nur von Rache, sondern vom Tod. Du hast vor, dein Leben dafür hinzugeben! Guido weiß es. Ich weiß es. Warum willst du es selbst tun! Weil er es wissen muß, nicht wahr? Er muß wissen, daß es du bist, der gekommen ist, um ihn nach allem, was er dir angetan hat, zu töten. Er muß wissen, daß es du bist!«
    »Das stimmt«, sagte er leise. »Das stimmt. Du hast es besser und einfacher ausgedrückt, als ich es je gekonnt hätte.«

    Lange nachdem sie eingeschlafen war - ihre Tränen waren versiegt und sie hatte ihre heißen, feuchten Gliedmaßen um ihn geschlungen -, legte er sie sanft zurück in die Kissen, ging in ihr Atelier und setzte sich ans Fenster, um die winzigen Sterne zu betrachten, die über den Himmel gestreut waren.
    Eine frische Brise hatte die Regenwolken weggefegt. Die Stadt lag schimmernd, sauber und wunderschön im Schein der Mondsichel da. Überall in den engen Straßen unter ihm flak-kerten Hunderte kleiner Lichter auf Balkonen und in Fenstern, durch die Risse in zerbrochenen Fensterläden.
    Er fragte sich, ob sie irgendwann in späteren Jahren einmal begreifen würde? Wenn er jetzt umkehrte, dann würde das für immer sein. Wie aber sollte er dann mit der Schwäche, mit dem schrecklichen Versagen leben können, daß er zugelassen hatte, daß Carlo sein Leben so deformierte und zerstörte und dann unbehelligt sein eigenes Leben weiterführte?
    Er sah sein Haus in Venedig. Er sah eine geisterhafte Ehefrau, die er nie richtig kennengelernt hatte, er sah eine Schar geisterhafter Kinder. Er sah, wie die

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