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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hatten, und dann würde es ein großes Durcheinander geben.
    Jetzt aber gelang es ihm noch mühelos, nahe an die Bühne heranzukommen. Er schob sich durch die Menge von gewöhnlichen Leuten, bis er nur wenige Meter vom wild spielenden Orchester entfernt saß.
    Jetzt hörte er nur noch die Musik. Er war begeistert.
    In diesem Augenblick erschien die hochgewachsene, würdevolle Gestalt des großen Caffarelli auf der Bühne.
    Caffarelli, der Schüler von Porpora gewesen war, galt bei vielen als der größte Sänger der Welt. Als er mit seiner riesigen, weißen Perücke und dem wallenden, karminroten Umhang an die Rampenlichter herantrat, erschien er mehr wie ein Gott denn als der große König, den er in dieser Oper spielte. Er besaß eine grazile Schönheit und gestattete dem Publikum, ihn zunächst einmal genau zu betrachten. Dann warf er den Kopf zurück. Er begann zu singen, und beim ersten ungeheuren, anschwellenden Ton wurde es im Theater still.
    Tonio hielt den Atem an. Die Gondolieri neben ihm gaben mit erfreuten Rufen ihrem Erstaunen Ausdruck.
    Der Ton schwoll an und erhob sich in die Luft, so als könne selbst der Kastrat ihn nicht aufhalten. Als er ihn dann zum Abschluß brachte, stürzte er sich in den Hauptteil der Arie, anscheinend ohne eine Pause zum Atemholen zu machen, während sich das Orchester beeilte, ihn einzuholen.
    Es war eine unglaubliche Stimme, nicht schrill, aber irgendwie gewaltsam. Genaugenommen wirkte das feine Gesicht des Kastraten während des Singens vor Wut ganz entstellt.
    Es war ein Gesicht, dem man mit Schminke, Puder und einem Rahmen weißer Locken ein so zivilisiertes Aussehen verliehen hatte, wie es nur möglich war, dennoch glühten die Augen des Sängers wild, als er jetzt auf der Bühne vor- und zurückschritt, sich vor den Zuschauern in den Logen, die winkten, klatschten und nickten, gleichgültig verbeugte, einen flüchtigen Blick ins Parkett warf und ab und an wie mit kühler Berechnung auch einen zu den höheren Rängen.
    Jetzt hatte die Primadonna zu singen begonnen, und es schien, als würde die Oper um sie herum auseinanderfallen.
    Oder lag es einfach nur daran, daß Tonio jetzt das Durcheinander hinter den Kulissen sehen konnte, Damen mit Bürsten und Kämmen, einen Diener, der hervorschoß, um noch mehr weißen Puder über Caffarelli zu stäuben.
    Die Primadonna sang mit ihrer dünnen, kleinen Stimme tapfer weiter, begleitet vom Generalbaß des Komponisten am Cembalo. Caffarelli stand vor ihr, hatte ihr den Rücken zugewandt, so als wäre sie gar nicht da, und täuschte doch tatsächlich ein Gähnen vor. Stimmengewirr erhob sich wieder wie eine trübe Woge, die an den Rändern der Musik leckte.
    Inzwischen gaben all die wirklichen Kritiker der Vorstellung ihr grob formuliertes, aber sehr scharfsinniges Urteil ab. Caffarellis hohe Töne kämen heute abend nicht so gut, die Primadonna wäre schrecklich. Ein Mädchen bot Tonio einen Becher Rotwein an. Während er nach Kleingeld suchte, warf er einen Blick in ihr maskiertes Gesicht und war sich sicher, daß da Bettina vor ihm stand! Als er dann aber an seinen Vater dachte und an das, womit er ihn so kürzlich erst betraut hatte, schlug er, heftig errötend, die Augen nieder.
    Jetzt trat Caffarelli wieder ins Rampenlicht. Er warf den roten Umhang zurück. Wütend funkelte er den ersten Rang an. Und dann kam wieder jener herrliche erste Ton, schwellend, pulsierend. Tonio konnte Schweiß auf dem Gesicht des Sängers glänzen sehen, konnte sehen, wie sich sein riesiger Brustkasten unter dem schimmernden Metall seiner griechischen Rü-
    stung ausdehnte. Das Cembalo stockte. Bei den Streichinstrumenten gab es Verwirrung.
    Caffarelli sang nicht das Richtige. Aber er sang etwas, das sofort vertraut klang. Plötzlich erkannte Tonio - so wie alle anderen auch -, daß er sich die Arie der Primadonna, die soeben geendet hatte, zur Vorlage genommen hatte und sich gnadenlos über sie lustig machte. Die Streicher versuchten einzustimmen, der Komponist war sprachlos. Mittlerweile sang Caffarelli die Töne schmachtend, er ahmte ihre Triller und Läu-fe mit solcher Leichtigkeit nach, daß er ihre Begabung vollkommen bedeutungslos erscheinen ließ.
    Während er sich mit gewaltigem Stimmvolumen über ihre langen, schwellenden Töne lustig machte, gab er sie der Lächer-lichkeit preis. Das Mädchen war in Tränen ausgebrochen, aber es blieb auf der Bühne. Die anderen Sänger waren vor Verwirrung puterrot geworden.
    Von der Galerie her

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