Fame Junkies
ihm geredet, und ich war genauso entsetzt darüber wie er.
Die Leute an den Nachbartischen warfen uns neugierige Blicke zu. Nasim sah sich unbehaglich um, dann wandte er sich wieder mir zu, und als er mich ansah, lag ein kühler Ausdruck in seinen Augen. »Ich besorge dir ein Taxi.« Er stand auf.
»Das kriege ich auch alleine hin.«
Wir gingen nach draußen. Ich stand schweigend und mit verschränkten Armen am Bordstein, während Nasim nach einem Taxi winkte. Er hätte mich niemals alleine draußen stehen lassen, dazu war er viel zu sehr Gentleman. So wie er viel zu sehr Gentleman war, um sich von seiner Freundin bei Starbucks eine Szene machen zu lassen. Äußerlich riss ich mich zusammen, aber in meinem Inneren herrschte völliges Gefühlschaos. Ein Taxi hielt neben uns. Nasim öffnete die Tür für mich. Ich stieg ein, ohne mich zu verabschieden, und nannte dem Fahrer die Straße, in der ich wohnte.
Und dann brach ich in Tränen aus.
AVY
April, 10. Klasse – im TIJUANA TROLLEY
Nichts gegen Mexiko, aber Tijuana ist ein einziger Touristennepp. Wenn es dort nicht die ganzen schönen Dinge gäbe, an die man auf unserer Seite der Grenze viel schwerer rankommt, würde ich keinen Fuß in dieses Kaff setzen. Ich hab den Eindruck, die wissen dort ganz genau, dass sie sich keine große Mühe geben müssen, weil die meisten Leute sowieso nur herkommen, um sich das zu besorgen, was sie in den Staaten nicht kriegen können.
Ich wünschte, meine Eltern könnten sehen, wie ich in diesem stinkenden, überfüllten Zug sitze. Ihr lieber, netter Avy, von dem sie immer geglaubt haben, er würde eines Tages in Harvard brillieren, ein erfolgreicher Anwalt werden und ein reizendes Mädchen aus gutem Hause heirate n …
Jetzt spielt Brad Cox die Hauptrolle in Dave In Deep und wie ich gehört habe, hat er schon ein paar Filmangebote aus Hollywood bekommen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich an seiner Stelle hätte sein könne n …
Ich hasse meine Eltern.
JAMIE
Weihnachten, 10. Klasse – NYC
Avy und ich telefonierten immer seltener und schrieben auch immer weniger Mails oder SMS. Ich redete mir ein, dass jeder von uns einfach zu sehr mit seinem eigenen Leben zu tun hatte, aber ehrlich gesagt meldete ich mich deswegen nicht bei ihm, weil ich ein totales Problem mit seinem Schönheits-OP-Wahn hatte. Das war für mich irgendwie nicht mehr der Avy, mit dem ich seit dem Kindergarten befreundet war. Gleichzeitig hatte ich aber auch ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn deswegen so verurteilte. Anfang Dezember gab ich mir einen Ruck und rief ihn mal wieder an. Wir plauderten ein paar Minuten wie in alten Zeiten und tauschten Neuigkeiten aus, als er mir irgendwann sagte, dass er über Weihnachten nicht nach Hause kommen würde.
»Und was ist mit deinen Eltern? Die haben sich doch bestimmt darauf gefreut, dich endlich mal wieder zu sehen«, sagte ich überrascht.
Avy schwieg. Ich hörte, wie im Hintergrund ein Fernseher lief. »Kann schon sein«, meinte er schließlich. »Aber ich will sie nicht sehen.«
»Das verstehe ich nicht. Ich dachte, ihr hättet alles geklärt. Sie zahlen dir doch jetzt die Schule und lassen dich auch sonst machen, was du willst.«
Schweigen.
»Avy?«, fragte ich. »Bist du noch dran?«
»Haben sie dir gesagt, dass du mich anrufen sollst?«
»Was? Wie kommst du denn auf die bescheuerte Idee?« Ich konnte es kaum glauben, dass er das wirklich für möglich hielt. »Ich hab dich angerufen, weil du mein Freund bist und ich dich vermisse.«
»Schwörst du, dass sie nichts damit zu tun haben?«
Sein Verhalten kam mir fast schon paranoid vor. »Avy … was soll das? Ich bin’s, dein Wondergirl, deine beste Freundin. Erinnerst du dich noch?«
»Hey, tut mir leid, okay?« Er seufzte. »Seit sie wissen, dass ich an Weihnachten nicht kommen will, stressen sie mich nur noch. Und sie sagen genau das, was du gerade auch gesagt hast. Wieso kommst du nicht nach Hause? Wir haben doch alles getan, was du wolltest. Blablabl a …«
»Klar, weil es das ist, was jeder sagen würde. Mensch, Avy, es ist schließlich Weihnachten.«
»Hör zu, Jamie. Ich hab jetzt echt keine Lust auch noch mit dir über das Thema zu diskutieren, okay?«
Ich war sprachlos. Früher hatten wir immer über alles geredet. Avy schwieg. Im Hintergrund hörte ich wieder nur den Fernseher.
Ich wollte gerade einen Witz darüber machen, dass er sich anscheinend mehr für das Fernsehprogramm interessierte als für mich, als er plötzlich sagte:
Weitere Kostenlose Bücher