Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
zwischen den Büschen verschwand. Am liebsten hätte er ihm zugerufen, er möge noch ein wenig bleiben, doch seine Stimme versagte. Er fühlte sich so allein. Wie sich bei Regen ein Trockenfluss plötzlich mit ungebremster Wucht in einen reißenden Strom verwandelt, so wurde Debe von seinen Gefühlen überflutet. Er konnte nichts dagegen tun, sondern musste sie ungeschützt ertragen. Weinend sank er in die Knie und barg den Kopf in seinen Händen. Die Sehnsucht nach seinem früheren Leben zerriss ihn. Gleichzeitig erkannte er, dass es kein Zurück mehr gab. Bis an sein Lebensende würde er ein Ausgestoßener und Verfluchter bleiben …
Es war längst dunkel geworden, als Debe sein Gewehr nahm und sich aufrappelte. Alles in ihm war leer. Er fühlte sich wie ein Toter, der seine Seele in der Anderswelt verloren hatte. Sein Leben war verwirkt, und er wünschte, es würde bald enden. Doch die Zeit, die ihm bis dahin blieb, wollte er nicht länger bei dem tieremordenden Baas verbringen. Er würde weggehen, weg von dem Baas und weg von seinen eigenen Leuten. Mit einer gewissen Entschlossenheit, die nur aus dem Gefühl der Verzweiflung geboren war, machte er sich in Richtung Westen auf. Viele Stunden kämpfte er sich entlang der salzigen Etoschapfanne, über ihm nur der Mond und die Sterne, die ihm den Weg wiesen. Als er sich vor Müdigkeit nicht mehr aufrecht halten konnte, sank er einfach zu Boden und schlief ein. Frostige Kälte ließ ihn nach wenigen Stunden wieder erwachen. Mit steifen Gliedern setzte er seinen Marsch fort. Mit der Leere, die er verspürte, war auch sein Hunger- und Durstgefühl weitgehend verschwunden. Selbst der Gedanke an Alkohol war für eine gewisse Zeit in den Hintergrund gerückt. Debe machte sich über nichts mehr Gedanken. Genauso wenig versuchte er, sich zu verstecken. Als ihn kurz nach dem Morgengrauen eine Patrouille von Wildschützern aufgriff, ließ er sich ohne Gegenwehr festnehmen.
*
Fritz war über Nachtmahrs Freilassung so aufgebracht, dass er wie ein Tiger im Käfig auf Raffaels Veranda auf und ab schritt. » Ich möchte bloß wissen, wer da wieder dahintersteckt«, polterte er los. » Das stinkt nach Korruption und Vetternwirtschaft. Erst waren meine Beweise Pitman gut genug gewesen, und dann wurden sie mit einem Federstrich für null und nichtig erklärt. Einfach so!«
» Mein Vater hatte schon immer gute Kontakte zu den Buren«, meinte Sonja unbehaglich. Sie konnte Fritz’ Ärger gut verstehen. Die Erinnerung an den selbstherrlichen, dominanten Vater, der sie nie als Person, sondern bestenfalls wie ein Stück Eigentum behandelt hatte, war von nur wenigen positiven Gefühlen geprägt.
» Ja, und bevor er mit den Buren kollaborierte, hatte er beste Beziehungen zu den Befehlshabern der deutschen Schutztruppe.« Fritz schüttelte angewidert den Kopf. » Es tut mir leid, Sonja. Schließlich ist er dein Vater. Aber für diesen Menschen empfinde ich nichts als Verachtung.«
» Fritz, bitte denk an die Kinder.«
Benjamin stand neben seinem Onkel und hörte ihm fasziniert zu. Noch nie hatte jemand in seiner Anwesenheit so offen über seinen unbekannten Großvater geschimpft. Fritz strich ihm ungelenk über den blonden Strubbelkopf.
» Entschuldige. Ich sollte nicht so reden.« Resigniert ließ er sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. » Leider scheint es mein Schicksal zu sein, dass ich diesen Kerl nicht erwische. Dabei …« Er sah erneut Sonjas warnenden Blick und verstummte endgültig.
» Ist ja schon gut! Morgen nehme ich den ersten Zug in Richtung Waterberg. Jella wird schon längst auf mich warten.«
In diesem Augenblick kam Raffael von der Old Location zurück.
» Oh«, meinte er verwundert. » Hier ist ja mächtig dicke Luft.«
» Das kann man wohl sagen.« Fritz erzählte nun auch seinem Schwager, was geschehen war. Raffael hörte ihm aufmerksam zu. Als Dr. Schmiedel erwähnt wurde, stutzte er. » Schmiedel vertritt Nachtmahr?« Er war darüber sichtlich verwundert. » Es ist im ganzen Land bekannt, dass der Alte völlig pleite ist und überdies eine Menge Schulden hat. Von Hakoma gehört ihm nur noch das Haus, mit dem er ohne Land herzlich wenig anfangen kann. Dr. Schmiedels Honorar ist beträchtlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich das leisten kann.«
» Das sag ich doch«, brummte Fritz. » Hinter seiner Freilassung steckt vermutlich eine ganze Lobby. Viele Buren sind gegen die Nationalparks. Sie würden aus dem Land lieber Farmland oder neue
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