Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Rechtsanwalt duldete keinen weiteren Aufschub, wenn er nicht alle seine Mandanten verlieren wollte. Außerdem sehnte er sich nach etwas Normalität. Als er Sonja mit seinen Absichten konfrontierte, stieß er auf erbitterten Widerstand.
» Ich werde auf Owitambe bleiben«, erklärte sie entschieden. » Hier habe ich wenigstens eine Aufgabe. Ich kann nicht zurück nach Windhuk. Außerdem …« Sie schluckte. Dann sah sie ihm zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in die Augen. » … außerdem möchte ich, dass unser Kind hier zur Welt kommt.«
» Du bist wieder schwanger?« Für Raffael kam die Nachricht aus heiterem Himmel. Er suchte nach passenden Worten. Beide hatten sie sich noch weitere Kinder gewünscht, doch nun brachte ihn die Neuigkeit völlig aus dem Konzept. » Bist du sicher?«
Sonja stieß ein bitteres Lachen aus. » Ja, leider!«, meinte sie und begann plötzlich zu weinen. » Ich kann doch jetzt kein Kind bekommen, wo Benjamin nicht mehr hier ist. Er wird denken, dass wir ihn einfach durch ein neues Kind ersetzen wollen.«
Raffael streckte hilflos die Hand in Richtung seiner Frau aus, doch die wandte sich schluchzend ab. Er suchte nach tröstenden Worten, aber nichts fiel ihm ein.
» Benjamin wird uns nicht böse sein«, sagte er nur. » Wir werden einen Privatdetektiv in Windhuk beauftragen. Er wird das ganze Land nach unserem Jungen durchsuchen. Du wirst sehen, er wird ihn finden.«
Er glaubte selbst nicht so recht an seine Worte, aber er wollte auch nichts unversucht lassen. Andererseits hatte Sonja recht: Die Geburt der Zwillinge hatte sie fast das Leben gekostet. Wenn Jella in der Nähe war, würden sie und das Ungeborene viel sicherer sein. Er durfte sie nicht noch einmal einer so großen Gefahr aussetzen.
» Möchtest du, dass ich auch hierbleibe?«, bot er ihr schließlich schweren Herzens an.
» Nein!« Fast war er erleichtert, jedoch verletzte ihn ihre schroffe, knappe Antwort. Sie merkte es und lenkte ein. » Ich möchte jetzt gerne allein sein«, fügte sie hinzu. Sie bewegte ihre Hand ein kleines Stück in seine Richtung, doch dann zog sie sie rasch wieder zurück. » Vielleicht tut uns beiden ein wenig Abstand gut.« Ihre Stimme klang traurig und resigniert. » Ich kann dich nicht ansehen, ohne an Benjamin zu denken. Und dann bleibt mir nichts übrig, als uns beiden schreckliche Vorwürfe zu machen. Wir haben als Eltern versagt.«
Raffael war es, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. Er fühlte sich durch ihre Worte bis ins Mark verletzt. War sie wirklich der Meinung, dass nur sie allein den Schmerz trug? Er suchte nach Worten, um sich ihr zu erklären, ihr seine Gefühle zu offenbaren, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.
» Wie du meinst«, sagte er schließlich und verließ den Raum.
Am nächsten Tag reiste er allein nach Windhuk zurück.
*
Sonja wusste sehr wohl, dass sie sich Raffael gegenüber ungerecht verhalten hatte. Er konnte ebenso wenig dafür, dass Benjamin verschwunden war, wie jeder andere hier auf Owitambe. Und dennoch machte sie ihn insgeheim dafür verantwortlich. War ihm letztendlich nicht immer seine Arbeit wichtiger gewesen als seine Familie? Sein Lebensinhalt bestand darin, allen zu beweisen, dass er als Mischling besser war als jeder Weiße. Warum blieb er nicht einfach ein Mensch? Sie hatte immer wieder versucht, mit ihm darüber zu reden, und war voller Hoffnung gewesen, ihn davon zu überzeugen. Aber jetzt, nachdem ihr Sohn verschwunden war, hatte sie nicht mehr die Kraft dazu. Sie war froh, wenn sie den Alltag auf Owitambe einigermaßen überstand. Und dabei half ihr die Tätigkeit im Lazarett. Also stürzte sie sich in die Arbeit. Gemeinsam mit Saburi pflegte sie die Kranken. Sie wechselte Verbände, teilte Medikamente aus und unterstützte Jella immer wieder bei Operationen. Die Zwillinge waren unterdessen bei den Großmüttern bestens aufgehoben. Im Gegensatz zu Raffaels Optimismus schwand Sonjas Zuversicht, Benjamin jemals lebend wiederzusehen, von Tag zu Tag. Und sie war mit ihrer Meinung nicht allein. Um Epongo wurden immer wieder Löwen gesichtet. Es war nicht auszuschließen, dass Benjamin ihnen zum Opfer gefallen war.
*
Zurück in Windhuk, stürzte sich Raffael ebenfalls in seine Arbeit. Die erfolgreiche Aufklärung des Diamantenschmuggels hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Alle Vorurteile bezüglich seiner Hautfarbe spielten mit einem Mal keine Rolle mehr. Innerhalb kürzester Zeit konnte er sich vor neuen Aufträgen
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