Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
einigermaßen überstanden zu haben, auch wenn er verloren gegangen war. Sie sahen in der Weimarer Republik eine Chance dafür, dass das Volk endlich demokratisch regiert werden würde. Den nationalsozialistischen Bestrebungen im Volk standen sie eher kritisch gegenüber, denn die stellten eine Gefahr dar; die Partei war trotz Verbot straff organisiert und nach Kräften dabei, die junge Demokratie zu unterwandern und von innen her auszuhöhlen. Diejenigen im Publikum, die das so sahen, amüsierten sich königlich über Rickys Parodie. Vielen anderen steckte jedoch noch die Schmach von Versailles und die damit dem Land von den Großmächten zugefügte Demütigung in den Knochen. Die zweite und dritte Zone des Rheinlandes war immer noch von den Alliierten besetzt. Das hemmte die wirtschaftliche Gesundung Deutschlands ungemein, da sich vor allem dort die für die Industrie so wichtigen Stahlwerke und Kohlegruben befanden. Hinzu kamen die hohen Reparationszahlungen, die das Deutsche Reich an die Siegermächte zu zahlen hatte. Innerhalb der schwachen Regierung waren die Kabinettsmitglieder sich oft uneinig, sodass in vielen Bürgern der Wunsch nach einer starken Hand wuchs, die wirkungsvoll die Arbeitslosigkeit bekämpfte und aus Deutschland wieder einen starken Staat machte. Diesen Menschen stieß die despektierliche und, wie sie es nannten, » zersetzende« Art von Ricky Tickys Parodie übel auf. Für Riccarda als Künstlerin war das kein Nachteil. Gerade die kontroverse Beurteilung machte das Couplet und ihre Person so bekannt. Vom Erfolg beflügelt, schlug der Intendant des Folies-Caprice Ricky vor, sie als die Hauptattraktion der Vorstellung zu präsentieren, und ließ sogar extra Plakate für sie drucken. Auch Valentins Name war als Komponist und Texter plötzlich in aller Munde. Er bekam Anfragen von anderen Künstlern, die ihn ebenfalls baten, etwas für sie zu komponieren. Doch er lehnte mit der freundlichen Begründung ab, dass er Lieder ausschließlich für Ricky Ticky schriebe. Nur kurze Zeit später präsentierte er Ricky den ersten Schallplattenvertrag und berichtete, dass die Plattenfirma beabsichtigte, gleich mehrere Lieder mit ihnen aufzunehmen. Endlich ging es bergauf.
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Rickys Gage war bald ausreichend hoch, sodass sie sich hin und wieder ein motorisiertes Taxi für die Nachhausefahrt leisten konnte. Diesen Luxus gönnte sie sich vor allem dann, wenn sie nach der Aufführung noch mit Kollegen feiern ging. Im Gegensatz zu Valentin fand sie das Berliner Nachtleben ungemein aufregend. Sie liebte jede Art von Geselligkeit und freute sich, nun endlich dazuzugehören. Am Bockbiertrubel auf der Jungfernwiese mit den Menschen aus dem einfachen Volk hatte sie genauso viel Spaß wie in den großen Tanzpalästen, wo sie sich oft bis in die Morgenstunden an modernen Tänzen vergnügten. In der ersten Zeit war Valentin ihr ein treuer Begleiter. Obwohl er dem nächtlichen Treiben nicht allzu viel abgewinnen konnte, sah er es als seine Pflicht an, Ricky nicht unbegleitet ausgehen zu lassen. Außerdem hoffte er auf diese Weise, ihr noch näherkommen zu können. Mit erzwungener Gelassenheit folgte er ihr in die unterschiedlichsten Etablissements, ging mit ihr auf Maskenbälle und Privatfeste, wo sie die angesehensten Filmstars, Schauspieler, Sängerinnen und Künstler ganz Berlins trafen. Doch nach ein paar Wochen war er es leid, ihr wie ein Hündchen zu folgen, ohne ihr wirklich nah sein zu können. Ricky war äußerst gesellig und schwirrte, kaum dass sie eine Lokalität betreten hatten, weg von ihm, um sich mit den anderen Gästen zu unterhalten. Es war nicht so, dass er dann allein gewesen wäre, aber er hatte sich ihre Zweisamkeit ganz anders vorgestellt. Ihre Flatterhaftigkeit begann ihm genauso zu missfallen wie ihre neue Angewohnheit, Zigaretten zu rauchen.
» Du verdirbst deine schöne Stimme mit dem grässlichen Qualm«, warf er ihr immer wieder vor. Doch Ricky wollte davon nichts wissen. » Das ist schick und schmeckt«, winkte sie unbekümmert ab und ließ sich auch auf keine weitere Diskussion ein. Valentin blieb nichts anderes übrig, als klein beizugeben.
» Kommst du heute Abend mit?«, fragte sie nach der letzten Probe gut gelaunt. » Claire und Olga wollen mich heute in der Pyramide einführen. Das wird bestimmt sehr amüsant.«
Valentin rümpfte missbilligend die Nase. » Das ist doch dieser selbst ernannte Lotterieverein, der aus einem Haufen lesbischer Frauen besteht. Nein, danke! Da musst du
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