Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
auf. Du kannst dich so setzen, dass du immer den Himmel siehst«, schlug sie vor. Debe war einverstanden. Er setzte sich neben sie auf den Boden, den Blick auf die geöffnete Tür gerichtet.
» Ich bin eine Khoisan«, eröffnete Melinda das Gespräch. » Meine Vorfahren haben dort gelebt, wo jetzt die Farm steht.«
» Wo leben sie jetzt?« Debe fragte aus Höflichkeit. Die Antwort interessierte ihn kaum.
» Mein Volk gibt es schon lange nicht mehr«, meinte Melinda bedauernd. » Viele sind zu den Weißen gezogen, um dort zu arbeiten – auch meine Eltern. Die anderen wurden vom Vater des Baas verjagt oder getötet. Ich lebe schon fast mein ganzes Leben auf der Farm, aber ich träume manchmal noch von meiner Kindheit in der Savanne. Woher kommst du?«
» Von jenseits der Berge«, antwortete Debe vage.
» Gibt es dein Volk auch nicht mehr?«
Die Frage war ihm unangenehm. Er wollte nicht über seine Vergangenheit reden. Doch Melinda ließ nicht locker.
» Wo sind deine Wurzeln?«
» Ich habe mein Volk verlassen. Mein Platz ist hier bei den Weißen.«
Melinda nickte nachdenklich. » So denken viele von uns. Das Leben in der Wildnis ist oft schwierig. Immer mehr Menschen kommen ins Land und nehmen uns den Platz zum Leben. Trotzdem wünsche ich mir oft, dass ich wieder so leben könnte wie in meiner Kindheit. In meiner Erinnerung war das Leben bei meinem Volk so viel wärmer. Jeder war für jeden da.«
» Bei den Weißen gibt es keinen Hunger«, unterbrach Debe ihre romantischen Vorstellungen barsch. » Außerdem haben sie eine Medizin, die alles Böse vergessen lässt.«
Melinda lachte verächtlich. » Du meinst den Schnaps? Er ist der Fluch der Llangwasi. Er ist es, der unser Volk zerstört hat. Er hat auch meinen Vater in seinen Bann gezogen. Er hat ihm seine Würde genommen.«
Debe sah Melinda von der Seite an. Sie war sichtlich erregt und ballte die Hände zu Fäusten. Plötzlich begegnete sie seinem Blick und sah ihn beinahe flehentlich an.
» Lass die Finger von dem Zauberzeug«, bat sie ihn. » Es hat schon so viele von uns vernichtet.«
Debe zuckte nur mit den Schultern. Was wusste die Frau schon von den Llangwasi? Ihn jedenfalls ließen sie nur in Ruhe, wenn er das Wasser des Vergessens trank. Es würde das Erste sein, was er gegen seinen Lohn eintauschen würde.
In der ersten Nacht an seinem Feuer suchten die Llangwasi ihn prompt wieder heim. Seine Ahnen tanzten in furchterregenden Posen um ihn herum und zeigten immer wieder auf die vielen Tiere, deren Tod er zu verantworten hatte. Debe wälzte sich unruhig auf seinem Lager hin und her. Er bekam Schweißausbrüche und begann schließlich laut zu schreien. Als er erwachte, war sein Kopf auf Melindas Schoß gebettet. Verwirrt sah er um sich und blickte direkt in ihre warmen braunen Augen.
» Du hast geträumt, da habe ich nach dir gesehen«, entschuldigte sie sich etwas verlegen. Sie wirkte ehrlich besorgt. » Was quält dich so? Willst du es mir nicht erzählen?«
Debe richtete sich mit einem Ruck auf. Er zitterte am ganzen Körper. Die Träume beherrschten immer noch sein Denken. Er war viel zu erschüttert, um Melinda zurückzuweisen. Außerdem tat ihm ihre aufrichtige Anteilnahme gut. Es war lange her, dass er Mitgefühl erfahren hatte. » Ich habe Kauha verärgert«, begann er zögernd. » Nun fliehe ich vor den Llangwasi …« Es kostete ihn viel Mühe und Überwindung, ihr seine Geschichte zu erzählen, doch Melinda ließ ihn ihre Erschütterung nicht spüren, sondern hörte ihm aufmerksam zu. Schließlich sprudelte es aus ihm nur so heraus. Es tat so gut, endlich seine Last mit jemandem zu teilen. Ungeschminkt begann er ihr seine Vergehen zu schildern, die ihn so weit weg von seiner Heimat und seinem Volk getrieben und jede Rückkehr unmöglich gemacht hatten. Als er mit seinem Geständnis zu Ende war, sah er sie resigniert an. Er erwartete, auf ihrem Gesicht Widerwillen und Abscheu zu entdecken, doch sie sah ihn nur unendlich traurig an. Nach langer Zeit brach sie schließlich das Schweigen.
» Es ist schrecklich, was du getan hast«, meinte sie voller Mitgefühl. » Und es ist grausam, wie sehr du dafür leiden musstest. Ich finde, Kauha hat seine Vergeltung gehabt.«
Debe sah sie überrascht an. Aus seinen Augen sprach immer noch die Qual, die er empfand. » Es wird niemals genug sein«, brach es verzweifelt aus ihm heraus. » Verstehst du jetzt, weshalb ich mich nach dem Wasser des Vergessens sehne?«
Melinda wurde plötzlich wieder
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