Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
auf und ab wippte. » Da wirst du mir schon vertrauen müssen …«
Als er jedoch sah, dass Raffael die Beherrschung zu verlieren drohte, ruderte er eilig zurück. Beschwichtigend hob er die Hände. » Lass gut sein«, lenkte er rasch ein. » Ich weiß selbst, wo meine Grenzen sind. Wir werden jetzt und hier für alle Zeiten Waffenstillstand schließen. Du lässt mich in Zukunft in Ruhe, und dafür gebe ich dir deinen Sohn zurück, sobald etwas Gras über die Sache gewachsen ist. Du wirst ein weiteres Lebenszeichen von deinem Sohn erhalten.«
Er wandte sich zum Gehen. Bevor er das Büro verließ, drehte er sich nochmals zu ihm um. Seine blassblauen Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. » Und sorg dafür, dass kein Hintertürchen mehr offen bleibt! Das Leben deines Jungen schert mich sonst keinen Deut!«
Udaipur
Das schrille Pfeifen der Dampflokomotive kündigte den nächsten Halt des Zuges an. Ricky stand mit Mukesh auf dem kleinen Vortritt des Waggons und beobachtete, wie der Zug immer langsamer wurde und schließlich in den Bahnhof von Udaipur einlief. Gelber Dunst lag wie ein geheimnisvoller Schleier über der Stadt und schluckte die Geräusche der wenigen Menschen auf dem Bahnsteig. Rickys Herz klopfte vor Aufregung. Sie war nervös und zupfte immer wieder an ihren Haaren.
» Wird uns jemand von deiner Familie am Bahnhof erwarten?«, fragte sie etwas bang. Mukesh drückte ihr beruhigend die Hand. » Einige meiner Diener erwarten uns. Du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen, bevor du meine Familie kennenlernst.«
Ricky atmete erleichtert auf. Sie fürchtete sich etwas vor der ersten Begegnung, denn jedes Mal, wenn sie in den letzten beiden Tagen das Gespräch auf seine Familie gebracht hatte, hatte er nur ausweichend reagiert. Er bemerkte ihre Unsicherheit und küsste sie flüchtig auf die Stirn. » Es wird alles gut werden«, versprach er ihr. Ricky war froh, dass die holprige Zugfahrt mit den häufigen Unterbrechungen nun endlich ein Ende hatte. Dabei hatte sie keinerlei Luxus entbehren müssen. Ihr Waggon war wie eine kleine Wohnung eingerichtet gewesen. Es gab einen holzvertäfelten Salon mit Schreibtisch, gemütlichen Sesseln und einer stattlichen Bibliothek. Daran schlossen sich ein Speisezimmer und zwei komfortable Schlafräume an. Trotzdem hatte sie sich darin beengt gefühlt, vielleicht auch deshalb, weil Mukesh, je mehr sie sich Udaipur näherten, immer schweigsamer geworden war. Er war mit seinen Gedanken oft woanders gewesen. Wenn sie ihn darauf aufmerksam machte, entschuldigte er sich zwar und gab sich alle Mühe. Doch sie spürte, dass ihn etwas bedrückte, und war traurig, dass er es nicht mit ihr teilen wollte.
» Ich war lange weg«, hatte er ihr nur erklärt, » da gibt es bei meiner Rückkehr einiges zu bedenken.«
Auf dem Bahnsteig wurden sie von mehreren Palastbediensteten empfangen, die Balbul und Sita halfen, das Gepäck auf mehreren Pferdedroschken unterzubringen. Auf Mukesh und Ricky wartete ein silbrig grauer Rolls Royce. Der Chauffeur war ein schlanker, offenherziger Rajpute, den Mukesh mit einer freundschaftlichen Umarmung begrüßte. » Das ist Mohandas«, stellte er Ricky den etwa gleichaltrigen Mann vor. » Sein Vater war der Wesir meines Onkels. Wir kennen uns schon seit Kindertagen. Er wird dir Tag und Nacht zur Verfügung stehen.« Mohandas legte seine Hände vor der Brust zusammen und verbeugte sich.
» Namaste, Memsahib.«
Ricky lächelte ihm zu und antwortete ebenfalls mit einem » Namaste«. Der Bahnhof lag etwas außerhalb der Stadt, sodass sie ein Stück zu fahren hatten. Die aufsteigende Sonne vertrieb unterdes die nächtlichen Nebelschwaden, und als sie den Lake Pichola erreichten, funkelte seine Wasseroberfläche in ihrem warmen Licht. Wie ein Märchenschloss aus Tausendundeinernacht ragte der schneeweiße Wasserpalast mit seinen Pavillons und Kuppeln aus dem glitzernden See. Purpurfarbene Bougainvilleablüten rankten sich entlang seiner Mauern, während die goldenen Kuppeln das aufsteigende Sonnenlicht einfingen. Ricky fühlte sich leicht und beschwingt, als sie nach beinahe zehn Jahren wieder den Ort erblickte, in dem sie ihre glückliche Kindheit verbracht hatte. Am Jagannath-Tempel vorbei fuhren sie auf das große Befestigungstor zu, das zum Palast des Maharana führte. Doch anstatt die Auffahrt zu nehmen, lenkte Mohandas den Wagen am Hauptpalast vorbei und steuerte die Palastmauern entlang auf einen Seiteneingang zu, der ebenfalls zu den
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