Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Unterlegenheit hatte er nie ablegen können, nicht einmal nach ihrem Tod. In Anwesenheit von anderen Weißen fühlte er sich ausgesprochen unwohl, während ihm die farbigen Arbeiter auf seiner Farm mehr oder weniger gleichgültig waren, solange sie ihre Arbeit verrichteten. Er war kein schlechter Herr, da er sie niemals misshandelte und nicht allzu viel von ihnen verlangte. Nur wenn sie es wagten, gegen ihn aufzubegehren oder ihn zu bestehlen, kannte er keine Gnade, dann zögerte er auch nicht, sie aufs Äußerste zu bestrafen. Die Anwesenheit Rüdiger von Nachtmahrs und seines kleinen Enkels war für Appeldorn anfangs nur schwer zu ertragen gewesen. Allerdings schuldete er Jon Baltkorn noch einen Gefallen, und der hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er nun auf dessen Einlösung beharrte. Nach einigem Hin und Her war ihm schließlich die alte Jagdhütte eingefallen. Sie war weit genug entfernt, dass er weiterhin seine Ruhe haben konnte. Als er dann feststellte, dass der Alte auch noch sehr krank war, hatte er sich mit dessen Anwesenheit arrangiert. Man musste kein Hellseher sein, um zu sehen, dass er nicht mehr lange zu leben hatte.
Als Melinda schließlich mit dem Jungen auf der Farm erschienen war und vom Tod des alten Nachtmahrs berichtet hatte, war ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Er hatte endlich seine Schuld beglichen und konnte in Ruhe sein altes Leben weiterführen.
» Was soll mit dem Jungen geschehen?«, fragte Melinda endlich schüchtern. Appeldorn sah sie erstaunt an. Über den Bengel hatte er sich noch keinerlei Gedanken gemacht. Kinder waren für ihn eine unbestimmbare Spezies, die man erst ernst zu nehmen brauchte, wenn sie ausgewachsen waren.
» Er soll verschwinden. Mich geht er jedenfalls nichts mehr an.«
Benjamin wagte sich schließlich schüchtern nach vorne. Er hatte sich die ganze Zeit hinter Melinda versteckt. » Ich möchte zurück nach Owitambe zu meinen Eltern«, meinte er mit piepsiger Stimme. » Bitte bring mich dorthin zurück!«
» Wie stellst du dir das vor?«, raunzte ihn Appeldorn unfreundlich an. » Ich kann nicht weg von der Farm. Außerdem …« Er hob eine Augenbraue und sah ihn zum ersten Mal genauer an. » … Außerdem hat mir dein Großvater erzählt, dass du ein Waisenkind bist. Deine Eltern sind doch tot.«
» Sind sie nicht!«, schrie Benjamin mit entrüsteter Stimme. » Der alte Mann hat gelogen. Er hat mich meinen Eltern einfach weggenommen. Ich will wieder heim!« Tränen quollen aus seinen blauen Augen, obwohl er versuchte, tapfer zu sein.
» Bitte, Baas.« Melinda versuchte es noch einmal. » Helfen Sie dem Jungen!«
Appeldorn ließ nicht mit sich reden. » Morgen nach der Beerdigung ist der Bengel verschwunden«, knurrte er. » Du kannst ihm von mir aus den Weg nach Rehoboth zeigen. Vielleicht hilft ihm ja dort jemand weiter.«
Benjamin wollte sich damit nicht zufriedengeben, doch Melinda nahm ihn bei der Hand und führte ihn zu ihrer Hütte. Im Weggehen versuchte sie ihn zu besänftigen. » Wir werden schon einen Weg für dich finden!«
Nachtmahr wurde ohne viel Aufwand direkt neben der Jagdhütte beigesetzt. Die beiden Stallburschen und Debe mussten das Grab ausheben und für den Leichnam eine Holzkiste zimmern. Darin wurde er begraben. Außer Benjamin, Debe und Melinda war niemand bei der Beerdigung anwesend. Immerhin hatte Appeldorn seinem Herzen doch noch einen Stoß gegeben und sich bereit erklärt, den Jungen am nächsten Tag mit nach Rehoboth zu nehmen. Dort befanden sich die nächstgelegene kleine Handelsstation und ein Postamt. Mit ein bisschen Glück würde man dem Jungen dort weiterhelfen. Die letzte Nacht vor seiner Abreise verbrachte Benjamin bei Melinda in der Hütte. Dort lernte er auch Debe kennen. Die beiden waren einander noch nie begegnet. Erst als Benjamin begann, voller Vorfreude von Owitambe zu erzählen, merkte der Buschmann auf. Natürlich kannte er die Farm. Er war einige Male als Kind mit seiner Mutter dort gewesen. Um ein Haar hätte er erzählt, dass er die Farm kannte, aber dann ließ er es doch sein. Wenn Melinda davon erfuhr, würde sie darauf bestehen, dass sie den Kleinen dorthin brachten. Doch seit er ihre Liebe besaß, fürchtete er sich wieder vor der Rückkehr. Wenn ihm sein Volk und seine Eltern nicht verzeihen sollten – wie konnte er dann mit Melinda eine Familie gründen? War es da nicht besser, einfach hierzubleiben? Auf der Farm hatte er keine Schwierigkeiten zu befürchten. Er hatte darüber noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher