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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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Welche Gespräche gab es? Aber Gespräche hatten in Allersmead immer zum Kollektiven tendiert, ein verbales Gerangel am Küchentisch bei den Mahlzeiten; wenn Dad sprach, dann im Großen und Ganzen mit – oder zu – allen. Wir haben mit ihm gestritten, und wie, vor allem Gina, aber wie er eine Debatte beendete, erscheint rückblickend seltsam leidenschaftslos, neutral, eine Pauschalantwort ohne individuellen Zuschnitt, nie hieß es, also, Sandra, darüber müssen wir beide uns noch mal ausführlich unterhalten.
    Deshalb ist sogar dieses Sechstel Dad ein wenig unpersönlich, ein Sechstel dieser Vaterfigur, unser Vater, der du bist in deinem Arbeitszimmer, bitte nicht stören, ein spezieller Vatertypus, der dennoch festlegt, wie ein Vater ist und zu sein hat, so und nicht anders. Ein Vater ist gleichzusetzen mit Dad, denn dieses Modell hat man kennengelernt.
    Was habe ich für ihn empfunden? Ehrfürchtige Bewunderung? Respekt? Das eigentlich nicht. Sie hat sich davor gehütet, ihn zu provozieren, denn darauf reagierte er überaus unangenehm. Mit Sarkasmus, auch wenn sie das Wort damals noch nicht kannte. Meist hat sie einen Bogen um ihn gemacht, hat ihn ignoriert wie etwas Störendes in der Landschaft.
    Und jetzt? Wenn Sandra heute nach Allersmead zurückkehrt, kommt es ihr vor, als besichtige sie eine historische Stätte, die einerseits völlig fremd und überraschend, auf einer anderen Ebene aber unendlich vertraut ist. Alison verblüfft sie nicht weniger als Charles – sind die beiden wirklich so? Wie sie reden und sich benehmen? Gleichzeitig aber wirken sie verstörend normal. Selbstverständlich waren sie so, sind sie so; was Sandra aus der Fassung bringt, ist lediglich, dass dort alles so weiterläuft, neben der heutigen Welt, dem heutigen Leben.
    Genug, denkt sie. Während Allersmead durch den Raum wirbelte, hatte sie in ihrer römischen Wohnung auf dem Sofa gelegen und eine Broschüre über Kücheneinrichtungen durchgeblättert. Genug davon, sie hat schließlich zu arbeiten, muss Leute anrufen, ihre E-Mails lesen. Sie holt den Laptop, geht den Posteingang durch und reißt erschrocken die Augen auf.
    Da ist eine E-Mail von Ingrid. Wenn Allersmead sich zu dieser Form der Kommunikation entschließt, dann immer über Ingrid. Alison hat nie gelernt, mit dem Computer umzugehen; Charles weiß wahrscheinlich gar nicht, was das ist.
    Ingrid fasst sich kurz. Kurz und nüchtern – eine Feststellung. Stirnrunzelnd liest Sandra die Mail immer wieder durch.

Mütterkurse
    Alison ist ein wenig enttäuscht, dass der Mütterkurs so wenig Anklang findet. Er ist ein Ableger ihrer Kochkurse, seit nun fast zwanzig Jahren der große Renner mit mehr Nachfrage als Plätzen. In der Küche von Allersmead kann sie nicht mehr als sieben, acht Teilnehmerinnen vernünftig unterrichten, deshalb gibt es oft eine Warteliste. Alison hatte Mütterkurse für ein großartiges Angebot gehalten, genau, was junge Mütter heutzutage brauchen, aber bisher sind nur fünf Interessentinnen erschienen, und die reagieren merkwürdig lau. Sie wollen wissen, was sie tun können, damit ihre Babys nachts nicht mehr schreien, oder wie sie mit den Trotzanfällen Zwei jähriger fertigwerden, und sitzen teilnahmslos da, wenn Alison ihnen erzählt, das Allerwichtigste, das wirklich Entscheidende sei ein richtiges Familienleben, wo alle viel Liebe und Aufmerksamkeit bekommen, jederzeit, mit vielen Familienritualen und Geburtstagsfesten, bei denen alle dieses Zugehörigkeitsgefühl spüren, und natürlich mit köstlichen, selbst zubereiteten Familienmahlzeiten. Bei der ersten Gelegenheit hatte eine junge Frau sie unterbrochen: »Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, aber ›Mütterkurs‹ klingt für mich ein bisschen komisch; heute teilen sich doch beide Eltern die Erziehung.« Als Alison betonte, wie sehr gerade das Mütterliche zählt, ich meine, das ist doch das wirklich Grundlegende, die Rolle der Mutter, regte sich spürbar Widerspruch. Anscheinend wird das heute nicht mehr so gesehen. Eine andere Frau sagte: »Wir sind nicht rund um die Uhr im Einsatz, ich habe einen Job und wechsle mich mit meinem Partner ab.« Natürlich bringen die Frauen ihre Babys und Kleinkinder mit; geplant war, dass Ingrid eine Art Spielgruppe leiten würde, aber Ingrid zeigte sich nicht sonderlich begeistert, und Alison hatte vergessen, welches Chaos ein paar kleine Kinder anrichten können.
    Vielleicht muss sie den Mütterkurs wieder aus dem Programm nehmen, womöglich wäre er ihr

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