Familienalbum
Alisons Blick bevölkerte es sich, kleine Gesichter spähten aus den Fenstern; ein kleines Kind fuhr auf einem Fahrrad den Halbkreis der Zufahrt entlang. Alison eilte auf das Haus zu, Charles folgte ihr mit ein paar Schritten Abstand.
Er sagte: Ziemlich groß , nicht? Sie war damit beschäftigt, Räume zuzuweisen, und hörte ihn kaum. Er sagte, was soll man mit dem ganzen Garten anfangen? Sie hatte den Krocketrasen abgesteckt und ein paar Schaukeln aufgehängt. Er sagte, das ist eine Küche von gewerblichen Ausmaßen. Sie hatte einen Riesentisch mit gescheuerter Holzplatte aufgetrieben, die Umzugsmänner bugsierten ihn durch die Eingangshalle. Er sagte, da ist ja noch ein Stockwerk, die Treppe dort hoch, das Haus ist wirklich sehr groß. Sie brachte Ingrid dort unter oder ein Mädchen ihresgleichen. Er sagte, eigentlich sprengt das ziemlich unser Budget. Sie sagte, dieses große Zimmer auf der anderen Seite der Eingangshalle, gegenüber vom Wohnzimmer, mit der Täfelung und diesem komischen alten, gefliesten Kamin, das könnte dein Arbeitszimmer sein. Da wagte er einen zweiten Blick und begann den Raum auszumessen, was an Bücherregalen hineinpassen würde.
Allersmead, genauer, der Besitz von Allersmead, ruht auf den Säulen von Vim, Dettol, Brasso, Harpic und Robin Textilstärke. Das Kapital, das Charles von seinem Patenonkel geerbt hatte, musste empfindlich angetastet werden, dieser gesegnete, lebenerhaltende Batzen Geld, der beim Putzen und Polieren in Millionen Haushalten angefallen war. Der Kauf von Allersmead würde einen beträchtlichen Brocken davon verschlingen, was in Zukunft geringere Einkünfte bedeutete, doch Alison war der Ansicht, dass sie trotzdem gut zurechtkommen würden. Allersmead war zwar nicht billig, aber lange nicht so begehrt wie heute. Die Leute wollten keine so großen, beschwerlichen alten Häuser. Wie sollte man die heizen? Wie sollte man die sauber halten?
Diese Fragen stellte Charles nicht. Doch ab und zu fragte er sich laut, wofür sie um alles in der Welt den ganzen Platz bräuchten. Alison strahlte nur. Hörte nicht mehr auf zu lächeln. Ach, das wirst du schon sehen, rief sie, du wirst sehen, das Haus ist ideal. Die Heiz- und Putzprobleme würden sich einfach lösen lassen: mit dicken warmen Pullovern im Winter, und wenn ein paar Staubflocken umherflogen, durfte man eben nicht allzu pingelig sein. Genau so kam es schließlich. Allersmeads Kinder gehörten zu den Letzten, die die aufregend zarte Ästhetik von Eisblumen innen auf den Fensterscheiben erlebten; beim monatlichen Großputz, dem Alison und zu gegebener Zeit Ingrid das Haus unterzogen, wurde der gröbste Schmutz beseitigt.
Allersmeads Kinder. Die waren natürlich der Zweck der Übung, und wenn Charles das nicht erkannte – nun ja, er stand am Beginn seiner Schriftstellerkarriere und hatte andere Dinge im Kopf, ein Buch war gerade erschienen, das nächste im Werden. Alison war sozusagen über ihn hereingebrochen, die Dinge hatten sich ziemlich überstürzt, und irgendwo musste man ja leben, vielleicht war es wirklich besser, als noch länger Miete zu zahlen und im Café um die Ecke zu essen.
Oder war Charles etwa über Alison hereingebrochen?
*
Natürlich wollte ich heiraten. Das wollten damals alle Mädchen – ich weiß, heute ist es anders, die meisten dieser Mütterkurs-Frauen waren nicht verheiratet, aber damals war es selbstverständlich. Man heiratete, und dann kriegte man natürlich Kinder, außer man war so jemand wie Corinna, und was hat die schon für ein Leben, muss man sich wirklich fragen, aber anscheinend ist sie damit sehr zufrieden und lässt es auch deutlich genug raushängen. Aber ich wollte immer viele Kinder. Ich bin in einer Familie mit zwei Kindern aufgewachsen und hatte dauernd das Gefühl, das sei für mich irgendwie nicht ganz das Richtige. Zwei Kinder sind noch keine Familie. Ich will nicht sagen, dass ich keine glückliche Kindheit gehabt hätte, ich will mich nicht beschweren, um Gottes willen, das waren goldene Jahre, genau, wie eine Kindheit sein soll, aber ich habe mir immer kleinere Geschwisterchen gewünscht und war natürlich als kleines Mädchen verrückt nach Puppen. Von Anfang an stand für mich fest, dass ich Kinder haben würde, lieber früher als später – sie waren einfach selbstverständlich. Und vermutlich habe ich dabei auch an eine Ehe gedacht. Musste man damals doch, oder?
Ich habe niemanden zum Heiraten gesucht , lieber Himmel, nein, ich war noch sehr jung und hatte
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