Familienalbum
wie. Charles hat Gina gerade gefragt, wie viel sie beim Sender verdient.
Corinna hat schon bei früheren Gelegenheiten alles über das Limoges-Geschirr gehört und findet es hässlich. Sie spricht eifrig der Pastete zu, mustert Charles kritisch und findet, dass er nun definitiv aussieht wie ein Mann in mittleren Jahren. Ihr fällt ein, dass sie dann vermutlich ebenso alt aussieht. Charles ist zwei Jahre jünger als sie.
»Super Pastete, Mum«, sagt Roger. »Gibt’s noch was davon?«
Strahlend reicht Alison die Schale ein zweites Mal herum.
»Sehr gut«, lobt Martin.
Alison strahlt noch breiter. »Ich gebe Corinna das Rezept.«
Corinna schluckt.
Sandra fragt: »Ach, bist du auch so eine Gourmetköchin wie Mum?«
Corinna ringt sich ein kühles Lächeln ab und verkneift sich jeden Kommentar. Ihr kommt der Verdacht, dass mehr in Sandra steckt, als auf den ersten Blick zu sehen ist.
Das Thema Haarstyling lässt Clare nicht los. Sie dreht eine lange blonde Strähne zusammen und legt sie um den Kopf. Dann wendet sie sich an die Tischrunde: »Was meint ihr? Hochstecken?«
»Beides sieht gut aus«, sagt Ingrid. »Aber wenn du sie hochsteckst, fallen sie beim Tanzen herunter.«
»Du steckst einen Spieß rein«, sagt Sandra. »Glaub mir, das hält. Mit Haaren kenn ich mich aus.«
Corinna seufzt. Martin denkt an die zeremoniellen Diners im Speisesaal seines College, im erlauchten Dozentenkreis.
Alison meint, hochgesteckt sei sehr hübsch. »So anmutig, ganz altmodischer Charme. Ich trage meine natürlich schon ewig so.« Sie winkt mit einer Hand zu ihrem zerzausten Knoten hoch. »Das Problem ist nur, dass man heutzutage keine anständigen Haarnadeln mehr bekommt, nur noch diese komischen Klemmen, aber ich habe einen kleinen Vorrat, davon kannst du ein paar haben, zum Ausprobieren.«
» Mum …«, schreit Clare, »ich will ja nicht unhöflich sein, aber nie im Leben will ich so aussehen wie du.«
Charles erhebt sich und greift nach der Weinflasche.
»Ja, bitte«, sagt Corinna und streckt ihm ihr Glas entgegen. »Was ist das eigentlich für einer?« Der Wein ist ihr herzlich egal, aber sie ist entschlossen, diese Haardebatte abzuwürgen.
Charles besieht sich das Etikett. »Sainsbury’s.«
»Im Fünf-Liter-Karton ist er billiger«, sagt Ingrid. »Aber zu besonderen Anlässen gibt es immer eine Flasche.«
Martin setzt eine unergründliche Miene auf. Roger verkündet, dass Billigwein mit Gefrierschutzmittel versetzt ist, das weiß doch jeder. Katie wirft ein, sie und ihre Freunde tränken sowieso nur Bier – Billigwein ist zu teuer, mit oder ohne Gefrierschutzmittel. Sandra sagt, jetzt weiß sie, warum sie um die Uni immer einen großen Bogen gemacht hat. Gina hat begonnen, die Vorspeisenteller abzuräumen, und Alison klappt die Herdtür auf. In einem Schwall dringt der Duft von gebratenem Fasan heraus.
Charles fällt die Aufgabe des Tranchierens zu. Ingrid und Alison tragen die Schüsseln mit den Beilagen auf. In die Runde kommt Bewegung, ein Aufstehen und Hinsetzen, Charles beschwert sich über die Anatomie von Fasanen, Roger erteilt Ratschläge, Alison gibt der Sauce den letzten Pfiff, Ingrid teilt den Braten aus. »Setzt euch hin !«, befiehlt Alison. »Alle, die im Weg rumstehen.«
Schließlich ist jeder mit Fasan versorgt, und alle sitzen wieder auf ihren Plätzen. Die Gemüseschüsseln werden herumgereicht. Und in der Eingangshalle fängt der Hund an zu bellen. Alison verharrt reglos mit der Sauciere in der Hand.
Die Tür geht auf. Paul steht da. Er starrt in den Raum.
»Da bist du ja!«, ruft Alison. »Besser spät als nie. Was war denn los ? Warum hast du nicht angerufen ? Ich hab ewig versucht, dich zu erreichen. Egal, jetzt bist du hier. Da ist noch ein Stuhl – Sandra und Roger, rückt zur Seite, damit Paul zwischen euch sitzen kann. Charles, bitte noch eine Portion.«
Gina sieht Paul scharf an. Oje. Glasiger Blick, leichtes Schwanken. Blau oder bekifft? Wahrscheinlich beides.
»Setz dich doch, Schatz«, sagt Alison.
Paul bleibt stehen. Alle richten ihre Aufmerksamkeit auf ihn außer Charles, der sich erneut ein Fasanengerippe vornimmt und gereizt daran herumsäbelt.
Paul sagt: »Ich will neben Gina sitzen.«
»Okay, okay«, sagt Roger. »Kein Problem. Rutsch mal, Clare.« Er schleppt den Stuhl um den Tisch und bugsiert seinen Bruder auf seinen Platz. »So.« Dann füllt er ein Glas mit Leitungswasser und stellt es vor Paul hin.
»Ich will Wein«, sagt Paul.
Martin hat begonnen, betont
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