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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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dass die ganze Vergangenheit – alles, was mit Familie und Allersmead zu tun hat – in einem weiterschwelt, ohne dass man sich dagegen wehren kann. Sandra beschreibt den Ablauf eines Modeshootings und amüsiert sich über Corinnas geringschätzigen Blick.
    » Wie viel bekommen diese Mädchen? Das ist ja unerhört!«
    Martin hat Charles gefragt, woran er gerade arbeitet, und damit ausgedehnte Erläuterungen über irgendein Buch zum Thema Aufklärung provoziert. Nach Martins Meinung ist Charles ein Mann für die breite Masse, der Reißer schreibt, Stoff für die Sonntagsbeilage. Martin selbst produziert Werke, die bei ungefähr einem Dutzend Menschen intensive Diskussionen auslösen und ausschließlich von akademischen Bibliotheken erworben werden. Charles’ Projekte wecken bei ihm, warum auch immer, sowohl Neugier als auch Erbitterung; wie unter Zwang muss er jedes Mal nachfragen, mit zusammengebissenen Zähnen. Vor ein paar Jahren hat er entdeckt, dass die Auflage von Charles’ Buch über den Jugendkult in die Zehntausende ging; von diesem Schlag hat er sich nie erholt.
    Gina kümmert sich um das Feuer, das wieder schlappzumachen droht. Corinna unterhält sich mit Sandra, Martin ist mit Charles beschäftigt – Ingrid hört offenbar zu. Katie und Roger glucken auf dem Fenstersitz zusammen, Clare hockt bei ihnen auf dem Boden. Gina überlegt, ob sie in die Küche gehen und nachsehen soll, ob Alison Hilfe braucht, entscheidet sich dann aber dagegen. Alison würde wahrscheinlich jedes Angebot ablehnen – sie hat die Küche immer perfekt im Griff –; außerdem ist sie furchtbar nervös, und wenn sich jemand einmischt, könnte es noch schlimmer werden.
    Gina setzt sich auf den Kaminschemel und betrachtet die Versammlung. Hallo und willkommen zum Familienprogramm. Letzte Woche haben wir uns angesehen, was es bedeutet, ein Einzelkind zu sein. Heute besuchen wir eine große Familie – eine Familie mit sechs Kindern, da könnten manche sagen, ein Rückfall in rückständige Zeiten, aber an den Harpers ist überhaupt nichts Verstaubtes, von der modebewussten Sandra bis zur langbeinigen Clare, die noch zur Schule geht. Gina ist die Nummer zwei, aber als ich sie über die Dynamik einer solchen Familie befragte, blieb sie merkwürdig verhalten. Ich kann mich nicht erinnern, sagt sie. Man vergisst. Jeder vergisst, vermute ich. Das ist es ja. Vieles verschwindet in der Versenkung, aber gelegentlich steigt scharf und klar etwas hoch, Worte, Taten. Dabei ist weniger eine Dynamik zu spüren als ein bestimmtes Klima. Ich habe gefragt, wie wichtig die Position in der Geschwisterfolge ist. Ach, man muss der Älteste sein oder der Jüngste, antwortet Gina, in der Mitte tummelt sich nur das gemeine Fußvolk. Konkrete Aussagen über die Rolle der Eltern widerstreben ihr. Sagen wir einfach, dass sie eine leitende Funktion haben, ist ihr einziger Kommentar.
    Alison kehrt zurück. »Das Essen ist fertig!«, ruft sie. »Kommt alle in die Küche rüber. Gina, stell den Kaminschirm vors Feuer. Bringt bitte eure Gläser mit – und diese Teller, Rogerschatz.«
    Sie strömen in die Küche. Alison hat eine Sitzordnung ausgearbeitet. »Du hier, Corinna, neben Charles. Martin am anderen Ende. Paul muss ich wohl abschreiben – ojemine, was kann da passiert sein? Setzt euch alle. Charles, schenk den Wein ein, ja?«
    Als Vorspeise gibt es Räucherlachspastete, eine von Alisons Spezialitäten. Endlich kann sie sich von Fischstäbchen und Frikadellen verabschieden, denkt Gina. Arme Mum, so viele Jahre musste sie unter ihrem Niveau kochen.
    Sie sitzen zu zehnt um den Küchentisch. Alison hat das Deckenlicht ausgeschaltet und Kerzen angezündet. Sie essen von einem Limoges-Service, das Alisons Mutter gehört hatte und nur zu besonderen Anlässen aufgedeckt wird. Alison erklärt Corinna die Herkunft des Services: Ihre Eltern haben es auf ihrer Hochzeitsreise in Frankreich gekauft, und wie durch ein Wunder ist es all die Jahre vollständig geblieben: »Wir benutzen es zwar nicht so oft, aber trotzdem … Zwölf Gedecke und die Suppenterrine, das Rosa und Gold so hübsch. Meine Mutter war anscheinend hin und her gerissen zwischen diesem und einem anderen in Blau und Grün.«
    »Wir spülen es immer von Hand«, sagt Ingrid. »Nicht in der Maschine.«
    Martin starrt mit leerem Blick vor sich hin. Katie und Roger sind in ein vertrauliches Geplänkel quer über den Tisch vertieft. Sandra empfiehlt Clare, die Haare hochzustecken, morgen wird sie ihr zeigen,

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