Familienalbum
der Kirche ist wunderschön, aber das kam für uns nicht in Frage, Charles fand, da müsse man schon zahlendes Mitglied der Church of England sein … Und das Mittagessen im Hotel, meine Mutter mit diesem Hut , sie hat immer zu viel des Guten getan, und mein Vater hat seine Rede vergessen …«
Corinna erinnert sich, dass Alison vor Aufregung ganz rot im Gesicht war und eine Art Kittelkleid getragen hat und Blumen im Haar.
»… Der Zuckerguss auf dem Kuchen war so hart, dass ich das Messer nicht reingekriegt habe …«
»Gab’s auch irgendwas, das glattgelaufen ist?«, erkundigt sich Gina.
Alison protestiert fröhlich entrüstet: »Auf einer Hochzeit darf nicht alles glattgehen – das gehört zum Spaß dazu. Es war ein wunderbarer Tag, nicht wahr?« Sie strahlt zu Charles hoch. Er hat jene Miene aufgesetzt, die seinen Sprösslingen als beherrschtes Dulden bekannt ist. Sein berüchtigtes Weihnachtsgesicht. Als Antwort neigt er den Kopf, was alles und nichts bedeutet.
Clare macht mit den Knabbereien die Runde, nicht etwa mit Nüssen oder Oliven, sondern – schließlich sind wir in Allersmead – mit erlesenen, von Alison selbst kreierten Appetithäppchen. Corinna nimmt sich gleich mehrere. Wenigstens isst man hier gut, was dem jeweiligen Anlass – dem Geburtstag, dem Jubiläum – mildernde Umstände beschert. Anscheinend gibt Alison jetzt Kochkurse. Demnächst kommt sie noch im Fernsehen. Man kann sie sich richtig vorstellen, die Erdmutter, die in jedes Heim flimmert, den Holzkochlöffel in der Hand. Aber das würde Charles nie zulassen. Fernsehen ist für ihn doch unter aller Würde, erinnert sie sich vage.
»Dann habt ihr jetzt also ein eigenes Fernsehzimmer?«, bemerkt sie. »Ich dachte, du hättest fürs Fernsehen nur Verachtung übrig, Charles.«
»Beim Golfkrieg wurde er süchtig«, sagt Roger. »Kate Adie in Splitterschutzweste und ferngesteuerte Geschosse, die Luftschächte runterpfiffen.«
»Jeden Abend die Sechs-Uhr-Nachrichten«, sagt Clare. »Er hat immer schon dagesessen und gewartet.«
Alison schaltet sich ein. »Ihr seid albern. Natürlich wollte Dad wissen, was passiert, wie wir alle. Normalerweise sieht er nicht viel fern.«
Charles lächelt. »Ich gebe zu, dass ich eine gewisse Faszination des Grauens empfunden habe. Allein die Sprache. Scud- und Exocet-Raketen.«
»Gut, dass das vorbei ist«, sagt Ingrid. »Alle diese armen Männer, die getötet wurden. Vor allem Iraker.«
Corinna starrt Ingrid einen Moment lang an. Aus Ingrid ist man noch nie so recht schlau geworden.
Alison läuft hastig hinaus; die Fasane verlangen Aufmerksamkeit. Corinna erzählt allen, dass ihr und Martin ein Sabbatical in den Staaten bewilligt wurde – ein Semester an der Berkeley. Da kann sie an ihrem Buch weiterarbeiten, und Martin hält dort Vorlesungen, im Rahmen einer hochkarätigen Veranstaltungsreihe. Die Neuigkeit stößt auf wenig Resonanz; Clare fragt, was ein Sabbatical ist, und es wird ihr lang und breit erklärt. Charles scheint uninteressiert.
»Wie geht’s denn so in Leeds, Katie?«, fragt Martin betont munter.
Katie sagt, als müsste sie sich dafür entschuldigen, dass sie eigentlich in Manchester studiere, und es ihr dort gut gehe. Martin nennt einen Kollegen dort und fragt, ob er Katie wohl schon über den Weg gelaufen ist. Besagter Kollege ist der Vizekanzler, und einer Studentin im zweiten Jahr läuft der Vizekanzler nicht einfach so über den Weg. Wieder sieht sich Katie zu einer Entschuldigung genötigt. Martin verliert den Schwung und wendet sich Charles zu. Katie stiehlt sich aus dem Rampenlicht und geht zu Roger hinüber, der es sich auf dem Fenstersitz bequem gemacht hat.
»Du hast dich wacker geschlagen«, sagt Roger.
»Ich hatte schon immer Angst vor ihm.«
»Ich kann nicht gut mit Corinna. Sie hat mir früher immer das Gefühl vermittelt, ich hätte schmutzige Ohren und Frühstücksreste zwischen den Zähnen.«
»Hattest du wahrscheinlich auch«, sagt Katie liebenswürdig. »Sie konnte mit Kindern einfach nicht umgehen.«
»Vielleicht schließt sie uns jetzt, wo wir heranreifen, noch richtig ins Herz.« Roger grinst. »Jedenfalls probiert sie es gerade mal mit Sandra.«
Corinna hat von der Zeitschrift noch nie gehört, deshalb liefert Sandra, etwas wortkarg, ein paar Informationen. Ihr ist klar, dass Modemagazine auf Corinnas Bildschirm nicht auftauchen, aber das ist ihr egal. Übrigens taucht Corinna auf Sandras Bildschirm genauso wenig auf, höchstens in dem Sinne,
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