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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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eine Prozession anderer Kuchen, anderer Feiern vorbeizieht – Geburtstage, Erntedank, die Festtagsküche zweier Jahrzehnte. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen – und die Familie.
    Die Haustür geht auf. Stimmen.
    »Komm«, sagt Gina und steht auf. »Wir spielen Gastgeber, falls Mum noch oben ist.«
    *
    »Das gemästete Kalb ist geschlachtet worden«, sagt Corinna, als sie die Haustür öffnet. »Das konnte ich schon von draußen riechen.«
    Martin folgt ihr mit den Taschen. »Ich hab’s vergessen: Haben wir eine Opfergabe mitgebracht?«
    »Selbstverständlich. Einen silbernen Kerzenlöscher. Die werden sich wundern, wie sie so lange ohne einen ausgekommen sind.«
    Gina und Clare treten aus dem Wohnzimmer. Begrüßung. Küsse. Martin ist beim Küssen unbeholfen. Er und Corinna haben keine Kinder und sich auch nie welche gewünscht. Für ihn gibt es kein fremderes Terrain als Allersmead. Charles sollte eigentlich ein verwandter Geist sein, schließlich ist er auf seine Art ein Gelehrter und führt ein intellektuelles Leben, aber Martin hat ihm nie mehr als ein paar oberflächliche Wortwechsel entlocken können. Gemessen an der akademischen Welt, ist jemand wie Charles eher ein Leichtgewicht, ein Dilettant. Andererseits verbreitet Charles eine Aura durch nichts zu rechtfertigender Selbstgefälligkeit und lässt sich von Status nicht beeindrucken. Weder er noch Alison haben Martin zu seinem Lehrstuhl gratuliert.
    »Sie sind oben und ziehen sich um«, erklärt Gina. »Sie kommen gleich runter.«
    »Ach du liebe Zeit«, sagt Corinna. »Ist etwa Abendgarderobe angesagt? Hätten wir uns fein machen sollen?«
    Gina geht über die Bemerkung hinweg, die sie als sarkastisch einstuft. Sie erbietet sich, Corinna und Martin ihr Zimmer zu zeigen. Corinna sagt, dass sie wahnsinnig gern etwas zu trinken hätte.
    »Es gibt Champagner«, verkündet Clare. »Ich hab ihn im Kühlschrank gesehen. Und es steht ein Tablett mit Gläsern da.«
    Jetzt erscheint Alison mit Willkommensrufen in der Biegung des Treppenhauses. Sie trägt etwas Langes, Geblümtes, das für Corinna wie ein umgearbeiteter Vorhang aussieht; hinter ihr kommt Charles in brauner Cordhose, braunem Hemd und einem braunen Pullover mit feinem, bei näherem Hinsehen zu erkennenden Spitzenmuster aus Mottenlöchern. Ihm folgt Sandra. Roger, Katie und Ingrid tauchen jetzt aus der Küche auf, und plötzlich ist die Eingangshalle voller Menschen und Gespräche. Der Hund bellt hysterisch. Alison schickt Roger in die Küche zurück, wo er den Champagner holen soll, und beginnt, alle ins Wohnzimmer zu treiben.
    »Immer noch kein Paul – oje. Dann müssen wir eben ohne ihn anfangen, ein Ärgernis, der Junge. Clare, hol die Häppchen, sei so gut – auf der Anrichte in der Küche. Und Dad braucht eine Serviette für den Champagner, der fließt immer über, nicht? Ach, du hast das Feuer in Gang bekommen – bravo. Jetzt, wo wir nur noch so wenige sind, benutzen wir diesen Raum kaum noch. Wir haben den Fernseher in das alte Studierzimmer gestellt, wo die Kinder ihre Hausaufgaben gemacht haben; das ist viel gemütlicher. Corinna, wir haben dich ja so lange nicht gesehen; dir wird auffallen, wie sehr sich alle verändert haben, sie sind jetzt so erwachsen .«
    Erwachsen? Corinna mustert die Gruppe. In der Tat, auch wenn bei allen immer noch das jüngere Selbst durchschimmert. Der kleine Junge bei Roger. Katies Gesichtsausdruck, immer noch die Achtjährige mit den staunenden Augen. Die elegante, selbstsichere Sandra fällt völlig aus der Familie heraus; das hat sich vielleicht schon vor Jahren angekündigt. Gina – nun, Gina hatte schon immer etwas clever Taxierendes, wie auch jetzt noch; Corinna fühlt sich examiniert und durchgefallen, eine ungewöhnliche Erfahrung für sie. Clare ist schmal wie eine Degenklinge und unbestreitbar hübsch. Ach ja, Clare.
    Charles macht den Champagner auf und richtet eine Überschwemmung an. Es muss aufgewischt werden. Endlich steht jeder mit einem Glas da.
    Corinna hebt das ihre. »Auf die Ehe!« Sie und Martin sind nicht verheiratet; klingt das nicht nach einem Anflug von Ironie?
    Alison hakt sich bei Charles ein. »Ich kann es wirklich nicht ganz fassen. Fünfundzwanzig Jahre! Es kommt mir viel kürzer vor – andererseits auch viel länger. Ich meine, ich habe das Gefühl, als wäre die Hochzeit erst gestern gewesen, ich erinnere mich an alles … dieses Standesamt – das war natürlich ein bisschen bürokratisch, und eine Hochzeit in

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